Meinung

Staffel zwei von „El Reino“: Kirchenführer als Staatslenker

In Argentinien ist der Pastor einer evangelikalen Megachurch Präsident des Landes geworden, und der herrscht mit eiserner Hand. Die Serie „El Reino – Dein Reich komme“ geht bei Netflix in die zweite Staffel.
Von Jörn Schumacher

In der argentinischen Dramaserie „El Reino – Dein Reich komme“ ist der Pastor einer großen Freikirche Staatspräsident geworden. In der ersten Staffel, die seit Ende 2021 bei Netflix zu sehen ist, haben es die evangelikalen Christen auf Macht und Geld abgesehen. Sie verwischen dabei Glaube und Politik bewusst, um bei den Christen im Land als glaubwürdig dazustehen.

Nun setzt Netflix die Serie mit einer zweiten und letzten Staffel fort. Die sechs neuen Folgen zeigen, wie Pastor Emilio Vázquez Pena als Präsident das Land immer mehr in die Armut führt und sich Widerstand im Volk bildet. Pena, der in „El Reino“ ein wenig wie Al Pacino als Mafiaboss auftritt, ist machtbesessen und religiös-fanatisch. „Ich bin mehr als ein Präsident“, ist er überzeugt. „Ich bin Priester. Ich bin die Liebe. Ich trage Jesus in mir.“ Immer mehr verliert er allerdings die Haftung zur Realität und zu den Menschen.

Fast noch schlimmer ist Penas Ehefrau Elena, die ebenso mit eiserner Hand die Regierungsgeschäfte übernimmt – so wie sie ja zuvor auch die Kirche mit geleitet hat. In der Schule sollen die Kinder ihrer Meinung nach nicht länger „indoktriniert“ werden durch Sexualkundeunterricht. Als sie eigenmächtig und ohne den Kongress Gesetze ändern will, weist ein Mitarbeiter sie darauf hin: „Bei uns herrscht Gewaltenteilung.“ Elena herrscht ihn an: „Nein! Bei uns herrscht nur Jesus. Und mein Mann, der Präsident, sieht es als seine Pflicht an, dass dieses Prinzip ausgeübt wird.“

Gedankenexperiment: Ein Pastor als Staatspräsident

Im Volk nehmen Armut und Unzufriedenheit zu, es bildet sich eine Widerstandsgruppe, in der ausgerechnet Penas Sohn aktiv ist. Es gibt Aufstände auf den Straßen, und auch der Tempel von Penas „Kirche des Lichts“ wird Ziel eines Bombenanschlags. Symbolisch gerät dabei auch das riesige leuchtende Kreuz auf der Bühne in Mitleidenschaft, es bricht entzwei, leuchtet aber wie selbstverständlich auch in kaputtem Zustand weiter.

Die Gottesdienste dieser Christen wirken, wie in der ersten Staffel, eher wie ein schriller Zirkus oder eine Varieté-Show. „Gib mir, Christus, gib mir, Jesus, heute deine Liebe“, singt der Pastor, der in seinem Glitzerkleid genauso gut beim Eurovision Song Contest auftreten könnte und dort wahrscheinlich ähnliche übertriebene Begeisterung auslösen würde wie in seinem Gottesdienst. Die Mitgliederzahlen der „Kirche des Lichts“ gehen allerdings im ganzen Land zurück, da kann vielleicht eine inszenierte Krankenheilung helfen …

Nicht ganz aus der Luft gegriffen

Die Netflix-Serie „El Reino – Dein Reich komme“ geht das Gedankenspiel durch, was geschehen würde, wenn ein fanatischer und machtbesessener Pastor Argentiniens Präsident werden würde. Sie dreht dabei das Rad vielleicht ein bisschen zu weit und übertreibt hier und da. Der Pastor in der Serie reagiert auf die Unruhen im Land mit einer Entourage an konservativen Haudegen, ehemaligen Offizieren aus der Polizei und der Armee. Er ist eher zum Bürgerkrieg bereit, als dass er sein Amt aufgeben würde.

Aus der Luft gegriffen ist die Sorge aber nicht. In mehreren Ländern Lateinamerikas wachsen die Gemeinden von Pfingst- und Freikirchen. Manche evangelikale Mega-Kirchen haben große Tempelgebäude errichtet, mit Platz für mehrere Tausend Besucher, sie haben eigene Radiostationen und Fernsehsender.

Der Einfluss dieser Geistlichen wächst dabei auch im Politischen. Nicht selten ist da nicht mehr zu trennen, was von wirklichen Glaubensüberzeugungen geleitet, und was Show für den Machterhalt ist. So fiktional „Dein Reich komme“ auch sein mag, viele Kirchenführer sind oft längst auch Lenker im politischen Betrieb geworden – und ihre Vermischung von Politik und Kirche ist nicht immer gesund.

Staffel zwei von „El Reino – dein Reich komme“ ist seit dem 22. März auf Deutsch bei Netflix verfügbar.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen