Ein Beitrag in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zeigt auf, woher die Zuneigung vieler amerikanischer Evangelikaler zu US-Präsident Donald Trump kommt. Auch die Corona-skeptische Haltung mancher Christen scheint sich in dieses Bild einzufügen. Bereits seit Ende der Sechzigerjahre hätten Evangelikale mehrheitlich republikanisch gewählt. Die Nähe zu Trump erscheine allerdings „nicht gerade natürlich“, zumal sein Lebenswandel moralisch nicht unbedingt von christlichen Werten geprägt sei.
„Doch nicht einmal die Affäre um den Pornostar Stormy Daniels hat die Allianz zwischen dem Präsidenten und der religiösen Rechten zerstört“, heißt es im Spiegel. „Das liegt mit daran, dass noch kein US-Präsident so viele politische Fakten schaffte, die im Interesse der religiösen Wähler liegen.“ Seine ablehnende Haltung gegenüber Abtreibung, sein Auftritt beim „March of Life“ der Lebensrechtsbewegung oder auch die Anerkennung von Jerusalem als israelischer Hauptstadt seien Beispiele dafür. Trumps Regierung sei die religiöseste seit Langem, mehrere ihrer Mitglieder nähmen an Bibelkreisen im Weißen Haus teil.
Zu den prominenten Trump-Unterstützern gehöre Robert Jeffres, Pastor der First Baptist Church Dallas in Texas. Gegenüber dem Spiegel erklärte er, dass politische Enttäuschung der Grund dafür sei, dass Trump bei Evangelikalen so gut ankomme. „Trump, sagt Jeffress, biete den Evangelikalen die Gelegenheit, das Christentum noch einmal aufleben zu lassen, bevor die Erde untergehe.“ Trump habe sich zum Retter der ernüchterten evangelikalen Bewegung aufgeschwungen, schreibt der Spiegel und zitiert Pastor Jeffres: Der Präsident ermögliche es den Evangelikalen, vor der Widerkunft Jesu auf die Erde „möglichst viele Seelen zu retten“.
Trump dient Evangelikalen als Bollwerk gegen Niedergang des Glaubens
Als Schnittstelle zwischen Trump und den Evangelikalen macht der Spiegel vor allem die Pastorin Paula White aus, die er als religiöse Beraterin ins Weiße Haus holte. Sie sei das „Bindeglied zwischen Gott und dem US-Präsidenten“. Sie vertrete das „Prosperity Gospel“, ein Evangelium, das „gegen Spende Wohlstand auf Erden verspricht. Ein ziemlich kapitalistisches Religionsverständnis also, das auch unter Evangelikalen umstritten ist, aber zum Immobilienunternehmer Trump hervorragend zu passen scheint.“
Dass Trump als „Bollwerk gegen den Niedergang des Glaubens“ wirken solle, habe auch mit der Liberalisierung der Gesellschaft zu tun, schreibt die Autorin des Artikels, Katrin Kuntz. „Viele Christen fühlen sich unwohl, wenn während der Superbowl-Übertragung halb nackte Frauen erscheinen, gleichgeschlechtliche Ehen vielerorts zum Alltag gehören. Jetzt kommt die Angst vor dem Coronavirus hinzu.“ Mehrere Pastoren in den USA hätten das Virus – wie auch Trump anfänglich – heruntergespielt, gar behauptet, es sei Sünde, sich davor zu fürchten. Andere sähen es als Prüfung oder Strafe Gottes an.
„Den Sound Trumps übernommen“
In dem Artikel kommt auch der evangelikale Pastor Mark Galli zu Wort. Er hatte als Chefredakteur in der konservativen christlichen Zeitschrift Christianity Today die Amtsenthebung Trumps gefordert. Die Verehrung Trumps durch einige seiner evangelikalen Anhänger in Megakirchen beschreibt er gegenüber dem Spiegel als „götzenhaft“. Feinde Trumps würden mit dem Satan in Verbindung gebracht. „Viele Christen hätten den Sound von Trump übernommen“, gibt der Spiegel Galli wieder.
Das wiederhole sich auch in der Coronakrise: „Die evangelikale Rechte verharmlost das Virus. Sie denken, wenn man die Kirchen schließt, zeige das einen mangelnden Glauben an Gott“, sagte der Journalist dem Magazin. Er halte es für problematisch, dass diese Christen Wissenschaft und Autoritäten, die fundamentale Glaubensätze infrage stellten, derart misstrauten. Eine andere evangelikale Gläubige betonte gegenüber dem Spiegel, dass es auch viele Christen dieser Glaubensrichtung gebe, die das Coronavirus ernstnähmen und es eher als „göttlichen Weckruf“ verstünden.
Trumps Zustimmungswerte von weißen Christen steigen
Laut einer Umfrage des Pew Research Centers waren Mitte März 77 Prozent der weißen Evangelikalen zumindest teilweise mit Trumps Management der Coronakrise zufrieden. Im Schnitt der gesamten Bevölkerung sagten das nur 45 Prozent. Laut einer Umfrage des Instituts vom Februar sagten acht von zehn weißen Evangelikalen, Trump kämpfe für ihre Interessen. Etwa drei von vier gaben an, in vielen oder fast allen Themen mit der Position des Präsidenten übereinzustimmen. Aber auch andere weiße, nicht evangelikale Christen finden ihre Anliegen durch Trump der Studie zufolge unterstützt – mit steigender Tendenz.
Von: Jonathan Steinert