Der "Spiegel", der erst vor zwei Wochen die Fastenzeit zum Anlass genommen hatte, das Thema "Sünde" zum Titelthema zu machen, beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe (Nr. 9) mit Margot Käßmann, die am 20. Februar betrunken hinter dem Steuer ihres Dienstwagens erwischt wurde und daraufhin von ihren Ämtern zurücktrat. Und auch die Frage, wie andere Prominente mit Schuld umgehen, interessierte die "Spiegel"-Redakteure.
Unter der Überschrift "Der gefeierte Rücktritt" stellen die Autoren fest: "Zunächst sah es nach dem tiefen Fall einer prominenten Bischöfin aus. (…) Aber ihr entschlossener Rücktritt änderte die Stimmung im Land. Plötzlich wurde sie zum Vorbild für den Umgang mit eigener Schuld." Das Magazin meint: "An ihrem Verhalten werden sich künftig andere messen lassen müssen" Und: "Ihr schneller, schnörkelloser Rücktritt macht sie zum Maßstab."
Der "Spiegel" porträtiert die ehemalige Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und beschreibt die traurigen Reaktionen sowohl unter Kirchenanhängern als auch unter Kirchenfernen nach ihrem Rücktritt. "Lange nicht mehr hat ein Vertreter der Kirche die Menschen so bewegt wie die Pastorin aus Niedersachsen", heißt es. Hinzu komme die Sympathie, die Käßmann genoss. Der "Spiegel": "Tatsächlich fühlen sich viele Menschen ja gerade wegen ihrer scheinbaren Nahbarkeit zu Käßmann hingezogen, kaum etwas verbindet mehr als Verletzungen und Schicksalsschläge, die man so ebenfalls erlebt hat."
Ein Glas Prosecco, zwei Gläser Weißwein
Das Magazin berichtet, was an dem Abend des 20. Februar in Hannover offenbar passierte. Käßmann war demnach mit Freunden im Kino, anschließend trank man noch etwas. Sie kann sich an ein Glas Prosecco und zwei Gläser Weißwein erinnern. Käßmann hatte wenig gegessen. Dem Chauffeur hat sie freigegeben. Doch statt sich ein Taxi zu rufen, fuhr sie selbst ihren Dienstwagen, den sie lieber nicht über Nacht auf der Straße stehen lassen wollte. Käßmann sagt danach: "Ich habe mich immer wieder gefragt: Wie konnte mir das nur passieren? Aber was nützt jetzt das Jammern, das ‚hätte‘, ‚könnte‘, ’sollte‘ – es ist passiert, und nun muss ich die Konsequenzen tragen." Und gleichzeitig gibt sie zu: "Ich fahre nie mit Alkohol, es war so unglücklich und mir ist es vor mir selbst peinlich. Ich könnte in einem Loch versinken."
An den Tagen danach sparten die Zeitungen und Kommentatoren nicht mit Häme. Die Chefin einer Kirche, die in der Fastenzeit in einer Luxuskarosse betrunken über eine rote Ampel fährt – Stoff für journalistische Hiebe bietet der Vorfall genug. Doch als Käßmann am Mittwoch von ihren Ämtern als Bischöfin und Ratsvorsitzende zurücktrat und unumwunden zugab, einen schweren Fehler begangen zu haben, schwenkte die öffentliche Meinung sofort um. Aus Häme wurde großer Respekt. Der "Spiegel" stellt fest: "Schneller hat sich eine öffentliche Stimmung selten gewandelt." Denn wenn sonst Prominente Murks veranstalten, kann sich das Gezeter mit Leugnen, Lügen und Verteidigen über Wochen hinziehen. Auch dass sich die 14 Mitglieder des EKD-Rats einstimmig hinter ihre Vorsitzende stellten, sei die deutsche Öffentlichkeit "nicht gewöhnt", so die Autoren.
Käßmann hätte, wäre sie nicht zurückgetreten, immer Angst gehabt, bei Auftritten stets mit einer Zahl verbunden zu werden: 1,54 Promille. "Wer prominent ist, dessen Vergehen wird öffentlich verhandelt, der Kreis der Mitwisser geht in die Millionen. Damit steigt der Grad der Blamage", so das Magazin. Das gelte besonders für Kirchenvertreter, da sie zur guten Lebensführung mahnten. Dabei sei das schlimmste Verkehrsvergehen, an das sich die Kirchenoberste erinnern konnte, das "Falschparken beim Kirchentagsbüro in Fulda" gewesen.
"Neues Kapitel im Umgang mit Schuld"
Mit Käßmanns Verhalten beginne in Deutschland gar ein "neues Kapitel in der langen Geschichte im Umgang mit Schuld", schreibt der "Spiegel". Die Autoren vergleichen auch den Umgang mit Schuld in der katholischen und in der evangelischen Kirche miteinander. Bei den Katholiken vergewissere sich ein Beichtvater von der ehrlichen Reue des Beichtenden, gebe ihm eine Buße auf und spreche ihn von seinen Sünden frei. "Ganz anders ist das in der evangelischen Kirche (…). Protestanten müssen sich mit ihren Sünden ebenfalls auseinandersetzen und sie bereuen. Aber anders als bei den Katholiken ist die Buße keine Leistung, die von dem reuigen Sünder erbracht werden muss. Es gibt auch keinen Katalog mit guten Taten oder Gebeten, die man erledigen muss, um eine Sünde wiedergutzumachen. Der Sünder muss hart an sich arbeiten, muss zutiefst bereuen, nur dann kann das eigene Leben einen neuen Verlauf nehmen."
Auf vier Seiten erinnert der "Spiegel" an Skandale und Fehltritte von Politikern und Prominenten und untersucht deren Umgang mit der öffentlichen Meinung sowie deren Fortentwicklung. Darunter sind etwa die Ministerpräsidenten der Länder Thüringen (Dieter Althaus), Hessen (Roland Koch) und Nordrhein-Westfalen (Jürgen Rüttgers). Auch die Skandale um den Maler Jörg Immendorf, der in einem Hotel mit neun Prostituierten und Drogen eine Orgie gefeiert hatte, sowie um den Golfspieler Tiger Woods und den ehemaligen US-Präsident Richard Nixon behandelt die Titelgeschichte. Die Autoren stellen fest: "Ein Rücktritt unterbricht eine Karriere, muss sie aber nicht beenden." (pro)
Unter der Überschrift "Der gefeierte Rücktritt" stellen die Autoren fest: "Zunächst sah es nach dem tiefen Fall einer prominenten Bischöfin aus. (…) Aber ihr entschlossener Rücktritt änderte die Stimmung im Land. Plötzlich wurde sie zum Vorbild für den Umgang mit eigener Schuld." Das Magazin meint: "An ihrem Verhalten werden sich künftig andere messen lassen müssen" Und: "Ihr schneller, schnörkelloser Rücktritt macht sie zum Maßstab."
Der "Spiegel" porträtiert die ehemalige Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und beschreibt die traurigen Reaktionen sowohl unter Kirchenanhängern als auch unter Kirchenfernen nach ihrem Rücktritt. "Lange nicht mehr hat ein Vertreter der Kirche die Menschen so bewegt wie die Pastorin aus Niedersachsen", heißt es. Hinzu komme die Sympathie, die Käßmann genoss. Der "Spiegel": "Tatsächlich fühlen sich viele Menschen ja gerade wegen ihrer scheinbaren Nahbarkeit zu Käßmann hingezogen, kaum etwas verbindet mehr als Verletzungen und Schicksalsschläge, die man so ebenfalls erlebt hat."
Ein Glas Prosecco, zwei Gläser Weißwein
Das Magazin berichtet, was an dem Abend des 20. Februar in Hannover offenbar passierte. Käßmann war demnach mit Freunden im Kino, anschließend trank man noch etwas. Sie kann sich an ein Glas Prosecco und zwei Gläser Weißwein erinnern. Käßmann hatte wenig gegessen. Dem Chauffeur hat sie freigegeben. Doch statt sich ein Taxi zu rufen, fuhr sie selbst ihren Dienstwagen, den sie lieber nicht über Nacht auf der Straße stehen lassen wollte. Käßmann sagt danach: "Ich habe mich immer wieder gefragt: Wie konnte mir das nur passieren? Aber was nützt jetzt das Jammern, das ‚hätte‘, ‚könnte‘, ’sollte‘ – es ist passiert, und nun muss ich die Konsequenzen tragen." Und gleichzeitig gibt sie zu: "Ich fahre nie mit Alkohol, es war so unglücklich und mir ist es vor mir selbst peinlich. Ich könnte in einem Loch versinken."
An den Tagen danach sparten die Zeitungen und Kommentatoren nicht mit Häme. Die Chefin einer Kirche, die in der Fastenzeit in einer Luxuskarosse betrunken über eine rote Ampel fährt – Stoff für journalistische Hiebe bietet der Vorfall genug. Doch als Käßmann am Mittwoch von ihren Ämtern als Bischöfin und Ratsvorsitzende zurücktrat und unumwunden zugab, einen schweren Fehler begangen zu haben, schwenkte die öffentliche Meinung sofort um. Aus Häme wurde großer Respekt. Der "Spiegel" stellt fest: "Schneller hat sich eine öffentliche Stimmung selten gewandelt." Denn wenn sonst Prominente Murks veranstalten, kann sich das Gezeter mit Leugnen, Lügen und Verteidigen über Wochen hinziehen. Auch dass sich die 14 Mitglieder des EKD-Rats einstimmig hinter ihre Vorsitzende stellten, sei die deutsche Öffentlichkeit "nicht gewöhnt", so die Autoren.
Käßmann hätte, wäre sie nicht zurückgetreten, immer Angst gehabt, bei Auftritten stets mit einer Zahl verbunden zu werden: 1,54 Promille. "Wer prominent ist, dessen Vergehen wird öffentlich verhandelt, der Kreis der Mitwisser geht in die Millionen. Damit steigt der Grad der Blamage", so das Magazin. Das gelte besonders für Kirchenvertreter, da sie zur guten Lebensführung mahnten. Dabei sei das schlimmste Verkehrsvergehen, an das sich die Kirchenoberste erinnern konnte, das "Falschparken beim Kirchentagsbüro in Fulda" gewesen.
"Neues Kapitel im Umgang mit Schuld"
Mit Käßmanns Verhalten beginne in Deutschland gar ein "neues Kapitel in der langen Geschichte im Umgang mit Schuld", schreibt der "Spiegel". Die Autoren vergleichen auch den Umgang mit Schuld in der katholischen und in der evangelischen Kirche miteinander. Bei den Katholiken vergewissere sich ein Beichtvater von der ehrlichen Reue des Beichtenden, gebe ihm eine Buße auf und spreche ihn von seinen Sünden frei. "Ganz anders ist das in der evangelischen Kirche (…). Protestanten müssen sich mit ihren Sünden ebenfalls auseinandersetzen und sie bereuen. Aber anders als bei den Katholiken ist die Buße keine Leistung, die von dem reuigen Sünder erbracht werden muss. Es gibt auch keinen Katalog mit guten Taten oder Gebeten, die man erledigen muss, um eine Sünde wiedergutzumachen. Der Sünder muss hart an sich arbeiten, muss zutiefst bereuen, nur dann kann das eigene Leben einen neuen Verlauf nehmen."
Auf vier Seiten erinnert der "Spiegel" an Skandale und Fehltritte von Politikern und Prominenten und untersucht deren Umgang mit der öffentlichen Meinung sowie deren Fortentwicklung. Darunter sind etwa die Ministerpräsidenten der Länder Thüringen (Dieter Althaus), Hessen (Roland Koch) und Nordrhein-Westfalen (Jürgen Rüttgers). Auch die Skandale um den Maler Jörg Immendorf, der in einem Hotel mit neun Prostituierten und Drogen eine Orgie gefeiert hatte, sowie um den Golfspieler Tiger Woods und den ehemaligen US-Präsident Richard Nixon behandelt die Titelgeschichte. Die Autoren stellen fest: "Ein Rücktritt unterbricht eine Karriere, muss sie aber nicht beenden." (pro)