Ethikrats-Mitglied Andreas Lob-Hüdepohl hat bei der Behandlung von Corona-Patienten vor einer Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften gewarnt. „Auch ein Mensch, der noch so frevelhaft gelebt hat, verwirkt nicht sein Grundrecht auf medizinische Versorgung“, sagte der Sozialethiker und Mitglied des Deutschen Ethikrates am Samstag dem Bayerischen Rundfunk (BR): „Daran müssen wir festhalten.“ Bei Engpässen in den Kliniken dürften weder der Impfstatus noch die Erfolgsaussichten der Behandlung eine Rolle spielen. Aktuell sind laut Daten des RKI insgesamt 68,4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Covid-19 geimpft, 71,1 Prozent mindestens einmal.
Es sei gerecht, dass Ungeimpfte den Geimpften auch bei knappen Klinikkapazitäten gleichgestellt werden, erläuterte Lob-Hüdepohl: „Ob ein Mensch im Vorlauf gut gelebt hat, schlecht gelebt hat, gefährlich gelebt hat, ungefährlich gelebt hat, ob er geraucht hat, getrunken, einen schwierigen Job gemacht hat, das ist unerheblich für medizinethische Behandlungsnotwendigkeiten.“ Es zähle nur die Dringlichkeit eines Behandlungsbedarfs. Ungeimpfte sollten gleichgestellt sein, „auch wenn uns das emotional querkommt“, sagte der Professor der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin.
Lob-Hüdepohl kritisierte die medizinischen Fachgesellschaften dafür, die „Erfolgsaussicht“ als neues Kriterium für eine klinische Behandlung eingeführt zu haben. Dies widerspreche den Grundsätzen der Medizinethik.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin hatte am Freitag ihre Leitlinien für die sogenannte Triage aktualisiert. Danach darf zwar der Impfstatus eines Covid-19-Patienten keine Rolle spielen, wenn es zu wenige Intensivbetten gibt und die Ärzte auswählen müssen, welche Patienten behandelt werden. Das entscheidende Kriterium ist aber die Erfolgsaussicht für die Behandlung eines Patienten. Das Alter oder eine Vorerkrankung spielen nur dann eine Rolle, wenn sie die Prognose verschlechtern.
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