Kommentar

Soll die Ukraine wirklich die weiße Fahne hissen?

Eine Äußerung des Papstes in Richtung Ukraine hat für Irritationen gesorgt. Die Diskussion zeigt: Über eine grundlegendere Frage herrscht große Uneinigkeit.
Von Nicolai Franz

Soll die Ukraine die weiße Fahne hissen? Nach Artikel 32 der Haager Landkriegsordnung ist die weiße Fahne ein Schutzzeichen, in der Regel heißt sie in kriegerischen Auseinandersetzungen vor allem eines: dass man sich ergibt.

Meinte das Papst Franziskus, als er kürzlich in einem Interview des Schweizer Senders RSI sagte, „dass der Stärkste derjenige ist, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Fahne hat und verhandelt“? Will der Pontifex die Kapitulation der Ukraine? Der Vatikan ruderte schnell zurück. Franziskus habe vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen wollen und zu einem „Mut zu Verhandlungen“.

Sollte das so sein, dann hat der Papst mindestens missverständlich kommuniziert. Immerhin: Kreml-Sprecher Peskow sagte laut „Tagesschau“, Moskau sei bereit zu Verhandlungen, um den Krieg zu beenden. Die Äußerungen des Papstes seien ein Plädoyer für Verhandlungen, und die habe der russische Präsident Wladimir Putin ja immer gewollt. „Das ist der bevorzugte Weg.“

Was diese Ankündigung wert ist, sagte Putin höchstpersönlich in einem Interview kurz darauf. „Es wäre lächerlich, wenn wir Verhandlungen mit der Ukraine beginnen würden, nur weil sie keine Munition mehr hat.“ Der Diktator machte deutlich: Er hält weiterhin an seinen Kriegszielen fest.

Man kann viel dazu schreiben, was aus militärischer Sicht notwendig für die Ukraine ist oder welche Strategie der Westen fahren sollte, um Putin Einhalt zu gebieten. Es scheint aber, dass unser Land nicht nur in der Frage nach der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern oder der Herstellung von Artilleriemunition gespalten ist. Sondern auch in einer viel grundsätzlicheren Frage:

Was ist eigentlich Frieden?

Wohl alle Menschen wünschen sich Frieden. Es dürfte nur wenige Menschen geben, die Freude daran haben, in Schützengräben zu liegen, Kameraden zu verlieren, verwundet zu werden oder sogar ihr eigenes Leben zu geben. Doch Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Das zeigt sich einmal mehr in der Ukraine. In den von Russland besetzten Gebieten in der Ost-Ukraine herrscht alles andere als Frieden. Menschen werden weiter Opfer russischer Kriegsverbrechen, es gibt Ermordungen, Vergewaltigungen, politische Gegner werden ausgeschaltet. Frieden ist in weiter Ferne.

Margot Käßmann und Nicolai Franz sprechen im PRO-Podcast über christlichen Pazifismus Foto: PRO
Glaube. Macht. Politik.
(12) Christlicher Pazifismus und der Ukraine-Krieg (mit Margot Käßmann)
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Christen müssen – wie immer in Kriegszeiten – besonders wachsam sein. Sie dürfen weder einer Militäreuphorie verfallen oder den Gegner entmenschlichen noch sich darüber freuen, wenn möglichst viele Menschen sterben. Auf der anderen Seite gibt es eben dann doch eine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das Leid durch Nichthandeln zu nicht noch größerem Leid führt.

Wenn der Papst sich nach Frieden und Verhandlungen sehnt, ist das gut und richtig. Es darf am Ende aber nicht dazu führen, dass Russland sich dazu ermutigt fühlt, dem ukrainischen Volk seinen Willen aufzuzwingen und ihm die Freiheit zu nehmen, die sie gerade so erbittert verteidigt. Denn genau das scheint Russland mit großem Einsatz zu wollen.

Jesus verspricht: „Meinen Frieden gebe ich euch. Nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch; euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!“ Das gilt in Kriegs- und in Friedenszeiten. Gerade Christen sollten sich in den aufgeheizten Debatten dieser Tage daran erinnern.

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