So reagiert die Politik auf digitale Medien

Fernsehen und Radio sind nicht mehr das, was sie einmal waren: Durch digitale Technologien verschwimmen Grenzen zwischen den Formaten, Rundfunkangebote gibt es auch online, neue Medienformen entstehen. Heike Raab, Medien-Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz, erklärt, warum es dafür Regeln braucht.
Von PRO
Die SPD-Politikerin Heike Raab ist seit 2015 Staatssekretärin in der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz und vertritt das Land beim Bund zu den Themen Europa, Medien und Digitales

pro: Der Rundfunkstaatsvertrag soll zu einem Medienstaatsvertrag weiterentwickelt werden. Warum?

Heike Raab: Die Digitalisierung führt dazu, dass die klassischen Mediengattungen verschwimmen. Die Grenzen sind nicht mehr auf Anhieb sichtbar: Früher war Rundfunk vor allem das klassische Fernsehen in der linearen Ausstrahlung und Radio. Inzwischen sind aber viele neue digitale Angebote hinzugekommen. Deshalb denken wir jetzt darüber nach, wie wir hier die geltenden Regeln zeitgemäß anpassen.

Weshalb ist das notwendig?

Gerade audiovisuelle Angebote haben eine starke Wirkmacht. Das gilt für das klassische Fernsehen, wir sehen dies bei YouTubern und Streamern, am Fernsehen aber auch. Und es gibt universelle Regeln, etwa die des Jugendschutzes oder Werberichtlinien, die eingehalten werden müssen. Wir arbeiten deshalb für die unterschiedlichsten medialen Angebote daran, dass unsere Wertvorstellungen und Regeln eingehalten werden.

Worum geht es beim Rundfunkbegriff?

Die bisherige Zulassung von Fernsehsendern stammt aus einer Zeit der Frequenzknappheit. In Zeiten des Internets gibt es keine knappen Sendefrequenzen mehr. Für Streaming gelten aktuell jedoch noch die gleichen Regeln wie für klassische Rundfunkveranstalter. Deshalb diskutieren wir, was Rundfunk ist und was nicht. Es sollen etwa die Hobby-Let’s-Player, die Videospiele vorführen und kommentieren, nur ein Impressum haben, aber keine gesonderte Zulassung beantragen müssen. Wenn Anbieter aber mit einer größeren Anzahl von Nutzern – wir schlagen 20.000 im Monat vor – im Netz aktiv sind, wie etwa auf der Plattform twitch, dann brauchen sie eine Lizenz und müssen gegebenenfalls auch weitere Unterlagen vorlegen.

Im Entwurf des Medienstaatsvertrags gibt es auch Vorschriften, wie Medienangebote auf Plattformen und Benutzeroberflächen sortiert sein sollen. Warum muss das geregelt werden?

Wenn Sie zum Beispiel ein neues Fernsehgerät, sogenannte Smart-TVs, kaufen, sind dort zumeist Sender und andere Angebote vorinstalliert. Die Software entscheidet hier darüber, welche Angebote wie und an welcher Stelle angezeigt werden. Moderne Fernseher sind also Gatekeeper für die Inhalte. Hier muss es einen Meinungspluralismus geben, der die Demokratie stärkt. Das sehen wir bei US-amerikanischen Plattformen oft nicht gewährleistet, weil dort Dinge vor allem aus kommerziellen Interessen vorn gelistet werden.

Für die Kabel-Einspeisungen haben wir bereits das „Must-carry-Regime“ entwickelt: Sie können über 300 Sender empfangen, aber es gibt einige, die muss der Anbieter transportieren und vorn listen, weil wir das wichtig finden. Das, was auf Plattformen bereitgestellt und über Suchmaschinen gefunden wird, muss auffindbar sein, nutzerfreundlich, diskriminierungsfrei – es dürfen keine Angebote diskriminiert werden –, und die Auswahlkriterien für die angezeigten Inhalte müssen transparent sein.

Wer achtet darauf, dass diese Regelungen eingehalten werden?

Wenn wir neue Regeln schaffen, muss man auch die Möglichkeit der Kontrolle haben. Da denken wir in erster Linie an die Landesmedienanstalten. Gerade im Internet sollten die gleichen Regelungen aber nicht auf vierzehn unterschiedliche Arten ausgelegt werden. Die eine Möglichkeit ist, dass eine der vierzehn Landesmedienanstalten sich darum kümmert und Expertise entwickelt; oder dass man eine zentrale Einheit bei der Geschäftsstelle der Landesmedienanstalten einrichtet, die sich mit der Aufsicht beschäftigt.

In der Debatte um Fake News ging es auch um die Frage, welche Verantwortung Soziale Medien, also Intermediäre, für die Verbreitung der Inhalte haben. Inwiefern begegnet der Medienstaatsvertrag diesem Problem?

Dafür gibt es bereits einen rechtlichen Rahmen: den Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien. Die Einrichtung jugendschutz.net, die mitfinanziert wird vom Bundesjustiz-, dem Bundesfamilienministerium und der Ländergemeinschaft, kümmert sich schon seit zwanzig Jahren um Inhalte im Netz, die entweder jugendgefährdend, rechtsradikal oder volksverhetzend sein oder die Menschenwürde verletzen können. Dazu kommt noch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Anfang dieses Jahres in Kraft trat. Das verpflichtet die Betreiber sozialer Medien, sich ihre Plattform sehr genau anzuschauen, und wenn dort solche problematischen Inhalte auftauchen, müssen diese gelöscht werden. Weil das nicht immer gut funktioniert hat, ist ein Beschwerdemanagement installiert worden: zum einen bei den Betreibern selbst, zum anderen ist das Bundesamt für Justiz in Bonn dafür zuständig, dass gegebenenfalls Sanktionen verhängt werden.

Auch die Bürger sind aufgerufen, Vorschläge für die Gestaltung des Medienstaatsvertrags zu machen. Wie viele Bürger haben sich bisher beteiligt?

Stand vergangener Woche hatten wir etwa 500 Eingaben. Es gab eine Reihe von Vorschlägen zum Thema Streaming; da wurde häufig diskutiert, welche Nutzerzahl angemessen ist, um ein Angebot als Bagatellrundfunk einzustufen, für den keine Lizenz nötig ist. Auch zum Thema Plattformregulierung und Auffindbarkeit haben wir sehr viele Eingaben bekommen. Manche melden sich aber auch zu Themen, die wir gar nicht zur Diskussion gestellt haben, wie zu Auftrag und Struktur der öffentlich-rechtlichen Sender.

Wie werden Sie die Eingaben der Bürger berücksichtigen?

Am 30. September werden wir die Plattform schließen. Dann werden wir die Eingaben in den jeweiligen Arbeitsgruppen themenspezifisch auswerten. Mit dieser Auswertung werden wir uns im Herbst in der Rundfunkkommission der Länder beschäftigen.

Ist geplant, im Laufe der Bearbeitung des Medienstaatsvertrags auch z.B. die Abschnitte II und III mit den Vorschriften zum privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu überarbeiten?

Wenn wir über „Medienkonvergenz“ sprechen, sind es zumeist die genannten drei Themenbereiche, die hier relevant werden. Daher stehen diese in gewisser Weise auch symbolisch für die Wandlung von einem reinen Rundfunk- zu einem Medienstaatsvertrag. Hinzu kommt, dass wir uns bereits im Rahmen der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz das Ziel gesetzt hatten, in diesen Bereichen Veränderungen vorzunehmen. Das bedeutet indes nicht, dass die Rundfunkkommission nicht parallel an weiteren Themen arbeitet, wie eben auch an der Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Anders als bei den genannten drei Themenfeldern gibt es hier aber noch keine konkreten und im Länderkreis geeinten Vorschläge, die man öffentlich diskutieren könnte.

Vielen Dank für das Gespräch!

Heike Raab (SPD) ist Staatssekretärin in der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz und Bevollmächtigte des Landes im Bund und für Europa, Medien und Digitales. Neben der eigenen Landespolitik koordiniert die rheinland-pfälzische Staatskanzlei rundfunkpolitische Angelegenheiten der Bundesländer. Zur Gestaltung des Medienstaatsvertrages können Bürger noch bis 30. September Vorschläge zum bisherigen Entwurf einbringen.

Die Fragen stellte Jonathan Steinert

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