Am Freitag bekamen Journalisten eine Ahnung davon, wie es um die Pressefreiheit in Aserbaidschan bestellt ist. Die "Reporter ohne Grenzen" hatten eingeladen, um über die Menschenrechtslage im Land des diesjährigen "Eurovision Song Contests" aufzuklären. Dazu war auch der Menschenrechtler Rasul Jafarow eingeladen. Er ist Vorsitzender des "Bakuer Menschenrechtsclubs". Zu Wort kam der Aserbaidschaner dann aber seltener als er wohl selbst angenommen hat. Denn zu der Veranstaltung waren nicht nur deutsche Journalisten gekommen, die etwas über die Pressefreiheit im Land erfahren wollten. Vor Ort waren auch Verteidiger ihrer Heimat, ihres Zeichens Journalisten und Mitarbeiter verschiedener aserbaidschanischer Organisationen. Man kann wohl sagen: Sie sprengten die Pressekonferenz.
So fragte eine junge Journalistin etwa, warum es sich an diesem Tag überhaupt um Aserbaidschan drehe, man solle sich doch zunächst mit Georgien beschäftigen. Ein anderer erklärte, er werde als Journalist keinesfalls bedroht, auch wenn er kritisch sei. Auf eine Nachfrage, ob er sich denn mit heiklen Themen beschäftige, antwortete er, sie interessierten ihn nicht. Eine dritte Dame bat den Menschenrechtler Jafarow gar darum, Tipps zu geben, wie sich die Presse in ihrem Land verbessern könne. Kopfschüttelnd erwiderte dieser, das sei nicht seine Aufgabe, er wolle die Presse als Menschenrechtler schließlich verteidigen. Auf die Empörung des Publikums ob dieser Frage, erklärte die Frau, sie habe angenommen, dass bei dieser Pressekonferenz diskutiert werden solle. Das sei wohl nicht möglich. In der Tat, zu einer Diskussion kam es nicht, denn die Vertreter der "Süddeutschen Zeitung" oder des "Deutschlandfunks" kamen erst gar nicht mehr zu Wort.
Mord und Haftstrafen
Um die von den "Reportern ohne Grenzen" verbreiteten Daten dennoch zu nennen: Aserbaidschan liegt auf der "Rangliste der Pressefreiheit" auf Platz 162, steht also nur wenig besser da als Eritrea, das auf dem letzten, 179. Platz rangiert. Nach Straßenprotesten im Frühjahr 2011 soll die Staatsmacht die Überwachung der Medien noch verschärft haben. Internetnutzer würden zunehmend beobachtet, regimekritische Blogger eingeschüchtert. Journalisten würden geschlagen und entführt, 2011 gar ein Reporter ermordet. Jafarow erklärte, derzeit existierten lediglich zwei oppositionelle Zeitungen in Aserbaidschan, jeweils mit einer Auflage von 8.000 Exemplaren – und das bei 9 Millionen Aserbaidschanern. Radio und Fernsehen stünden gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Zudem sei ein Internetzugang unverhältnismäßig teuer. Jafarow sprach von "ernsten Problemen" seines Landes mit den Menschenrechten.
Die sieht auch der FDP-Politiker Markus Löning. Als Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe war er zuletzt im August nach Aserbaidschan gereist. In der kommenden Woche wird er sich wieder im Land aufhalten – allerdings nur mit einer Delegation und für sechs Stunden. Dennoch erklärte er am Freitag in Berlin, er unterstütze die Menschenrechtsbewegung im Land. Der "Eurovision Song Contest" sei eine Chance für die Medien, ein Bild der Lage vor Ort zu zeichnen.
"Exzessiven Einsatz von Gewalt durch Polizeibeamte"
Auch "Amnesty International" erklärt immer wieder, Aserbaidschan mache in Sachen Meinungs- und Versammlungsfreiheit "keine gute Figur". Journalisten und Aktivisten würden durch den "exzessiven Einsatz von Gewalt durch Polizeibeamte" an der Ausübung ihrer Tätigkeiten gehindert. Kritiker landeten unter dem Vorwand begangener Straftaten im Gefängnis, etwa im Fall des Zeitungsredakteurs Eynulla Fatullayev, der 2007 wegen Diffamierung verhaftet worden war. Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil für unrechtmäßig erklärte, wurde er 2010 wegen Drogenbesitzes zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile ist er wieder frei. 17 Personen sollen mittlerweile zu Haftstrafen verurteilt worden sein, weil sie ihre Meinung offen sagten, einer von ihnen ist der Blogger Jabbar Savalan, der 2011 festgenommen wurde. Nach internationalen Protesten kam er im Dezember frei. Die anderen 16 sind noch im Gefängnis.
"Sing for Democracy"
Gegen all diese Geschehnisse wollen Menschenrechtler in Aserbaidschan nun singend vorgehen – passend zum Gesangswettbewerb, der nach Düsseldorf nun in Baku stattfinden soll. "Sing for Democracy" heißt eine Kampagne, die auf die Probleme im Land aufmerksam machen soll. Koordiniert wird sie von Rasul Jafarow. Noch vor dem "Eurovision Song Contest" am 26. Mai will er eine "Musikparty" ins Leben rufen. Zudem organisiert er Konferenzen zum Thema, will einen Hip Hop-Song und einen Videoclip produzieren. Die Party solle unter freiem Himmel stattfinden, erklärte er, geht aber davon aus, dass sie von der Regierung verboten wird. In dem Falle will man in einen Club ausweichen. Mit der Kampagne will er es seiner Regierung unmöglich machen, der Welt beim "Eurovision Song Contest" nur die positiven Seiten Aserbaidschans zu zeigen. "Es gibt mehr Unterstützer als Gegner unserer Aktionen", zeigte er sich optimistisch. Bei der Pressekonferenz sah das anders aus. (pro)