Der Weihbischof des Erzbistums Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, sieht im Papst einen Fixpunkt der Gesellschaft – auch wenn die Basis des Glaubens in Jesus Christus begründet liege. Glaube funktioniere aus seiner Sicht nie ohne eine Portion Humor, die kritische Auseinandersetzung und den Streit. Petra Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, schätzte die Rolle des Glaubens für die Gesellschaft als hoch ein, auch wenn die Religion stark im Privaten verankert sei: „Der wirkliche Schatz der Kirche ist nicht materieller Art, sondern es sind die Menschen, die sich dort einbringen.“ Kirche müsse Geborgenheit anbieten und bei jungen Menschen den Umgang und die Kenntnis über biblische Geschichten fördern.
Der Redakteur Jürgen Domian nimmt eine tiefe Sehnsucht nach Spiritualität in der Gesellschaft wahr. Der Gastgeber der WDR-Sendung „Domian“ schränkte ein, dass diese nicht zwangsläufig in der Kirche gelebt werden müsse. Mit Nächstenliebe, Demut und Bescheidenheit habe kirchliches Wirken nichts zu tun. Die Kirche mische sich viel zu sehr in gesellschaftliche und private Dinge wie die Morallehre oder die Homo-Ehe ein, monierte er – „mit einer in Beton gegossenen Ideologie“. Gar nichts konnte Domian dem Sonderrecht der Kirchen im Bezug auf Streikrecht abgewinnen, auch wenn er Respekt vor der in kirchlichen Einrichtungen geleisteten Arbeit habe.
Zu Gott reden – in der Kneipe oder in der Wüste
Peter Brings, Musiker der Kölner Band Brings, trat aus Enttäuschung aus der Katholischen Kirche aus: „Sie hat nichts mehr mit dem wirklichen Leben zu tun. Um mit Gott zu reden, brauche ich keine Kirche. Das kann ich auch in der Wüste oder Kneipe tun.“ Er sei irritiert, warum Kirchenmitglieder nicht mit mehr Wut auf deren Entscheidungen reagierten. Die Werte und die Sexualethik seien überkommen.
Die ehemalige Ordensschwester Majella Lenzen erlebte, dass ihre Arbeit für die Kirche nicht mehr akzeptiert wurde, als sie bestimmte Dinge in Frage stellte. In der Kirche engagiere sie sich nach wie vor, weil sie gerne gläubige Katholikin sei. Lenzen hatte in Ost-Afrika ein Netzwerk zum Kampf gegen AIDS und Prostitution aufgebaut. Nach 33 Jahren hatte ihr Bischof sie "abserviert", weil sie Verhütungsmittel verteilte. „Ich habe das getan, weil ich es für richtig gehalten habe. Mir wurde meine Identität genommen“, sagte Lenzen. Die ehemalige Nonne kritisierte eine Doppelmoral, weil öffentlich etwas anderes verkündet als gelebt werde.
In überzeugende Arbeit investieren
Der Mitgliederschwund und die geschlossenen Kirchen täten weh, erklärte Bosse-Huber im Laufe der Diskussion. Deswegen gelte es, in Menschen und überzeugende Arbeit zu investieren. Um das Leben von Kirche zu gestalten, müsste Kirche das Know-how von Menschen mit unterschiedlicher Prägungen berücksichtigen: „Dazu gehören auch Homosexuelle, weil sie Teil der Kirche sind.“ Ein Stein des Anstoßes für die Kirchengegner war auch die Tatsache, dass die Kirche Einrichtungen wie Krankenhäuser und Kindertagesstätten auf Kosten der Allgemeinheit betreibe und selbst die Regeln bestimme. Erzbischof Jaschke relativierte dies: „Wir bemühen uns um die Menschen.“ Viele soziale Angebote mit einem sehr hohen ehrenamtlichen Engagement gäbe es sonst nicht, weil sie für den Staat zu teuer seien. Die Sendung ist wie immer in der ARD-Mediathek abrufbar. (pro)