Rezension

Simone und Claudia Paganini: Jesus mit Ecken und Kanten

Die Lehren von Jesus Christus haben unzählige Menschen inspiriert. Wer das Buch „Der unbekannte Messias“ von Simone und Claudia Paganini liest, lernt die Ecken und Kanten des Jesus von Nazareth kennen – ohne Rücksicht auf Verluste.
Von Johannes Blöcher-Weil
Simone und Claudia Paganini präsentieren in ihrem neuen Buch einen Jesus mit Ecken und Kanten

Claudia und Simone Paganini sind studierte Theologen. Bei der Lektüre ihres gemeinsamen Buches „Der unbekannte Messias“ werden ganz viele eigene und liebgewonnene Jesus-Bilder in Frage gestellt. Die Autoren zeigen den irdischen Jesus mit all seinen Ecken und Kanten und zeichnen damit ein völlig neues Bild des Erlösers der Welt.

Dass Jesus eine herausragende historische Persönlichkeit war, bestreiten wenige. Daran ändert auch das Buch nichts. Aber das Bild von dem netten Mann von nebenan und „Everybods Darling“ könnte sich nach der Lektüre in Luft auflösen. Denn: Jesus konnte durchaus rechthaberisch sein und auch richtig aus der Haut fahren, wie die Theologen darlegen.

Um ein möglichst historisches Bild zu zeichnen, hat das Autorenpaar nicht nur die „subjektiven“ biblischen Quellen hinzugezogen, sondern auch alle apokryphen und außer-biblische Quellen, die ihnen zur Verfügung standen. Los geht es bei den Eltern von Jesus. Erkenntnisse über Josef und Maria schöpfen die Autoren unter anderem aus dem Protoevangelium des Jakobus.

War Jesus ein Problemkind?

Maria ist demnach eine entschlossene Frau, die vor Selbstbewusstsein strotzt und dieses an Jesus weitergegeben hat. Josef verlässt sich auf klare Weisungen aus Träumen und hat zeitlebens eine problematische Beziehung zu seinem Ziehsohn Jesus. Ob die Eltern wirklich überforderter mit Jesus waren als die Eltern heute und der kleine Jesus ein Problemkind war, sei dahingestellt.

Dass Jesus schon als Kind viele Wunder zugeschrieben werden, passt für die Paganinis zur Absicht der damaligen Autoren. Diese wollten von Anfang an klarmachen, dass es sich um Gottes Sohn handelt und der Nachwelt bestätigen, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott war. Dass Jesus seine Geschwister genervt hat und seiner Mutter über den Mund gefahren ist, kann noch heute zum Bild eines jungen Menschen passen.

In seinem Wirken als Messias rücken die Autoren in den Vordergrund, dass Jesus zu Lebzeiten oft unstet und frustriert war. Auch habe er sich unfair gegenüber den Menschen verhalten, die nicht seine Meinung vertraten. Selbst manche seiner Wunder waren nicht gewollt, finden sie. Damit entspricht er so gar nicht dem Bild des üblicherweise dargestellten Messias.

Leidenschaft für die Menschen und seine Botschaft

Kaum widersprechen werden fromme Christen, welche Leidenschaft Jesus für seine Botschaft hatte. Auch nicht dagegen, dass für ihn immer die Menschen im Mittelpunkt standen. Viele von Jesu Aussprüchen seien hart und unbarmherzig, schreiben die Autoren. Auch gegenüber Juden sei er nicht zimperlich gewesen. Sie erwägen aufgrund einer Quelle, Jesus könne homo-erotische Tendenzen gehabt haben. Da dürften viele Fromme sehr empfindlich reagieren.

Dass Jesus Wunder tun konnte, aber bei seiner Verhaftung darauf verzichtete, erscheint aus christlicher Sicht logisch, wird aber von den Autoren auch noch mal zum Thema gemacht. Schließlich hatte der Messias eine Mission zu erfüllen. Die Intention beider Autoren ist es, nicht gegen den Glauben zu argumentieren, sondern ein möglichst authentisches Jesus-Bild zeichnen. Eines, das nicht die Projektionsfläche „verschiedenster Wünsche und Bedürfnisse“ ist und zur eigenen Interpretation passt. Genau das mache aus ihrer Sicht Jesus menschlicher und nahbarer.

Der Ansatz der Autoren passt natürlich zur historisch-kritischen Forschung der Universitäten. Als langjähriger Kindergottesdienstbesucher muss ich manche Thesen trotzdem erst einmal verdauen und aushalten. Die genannten Quellen sind vertrauenswürdig. Ich hoffe, dass mein Erstaunen nicht zu sehr in Zweifel umschlägt. Die Autoren wollen einen möglichst historischen Jesus zeigen, der eigene menschliche Interpretationen „entzaubert“. Dazu kann das Buch einen wertvollen Beitrag leisten. Das Wissen im Hinterkopf, dass und warum er in seiner Todesstunde eben kein Wunder vollbracht hat, sorgt dafür, dass ich das Gelesene dann doch gut aushalten kann.

Claudia und Simone Paganini: „Der unbekannte Messias: die Ecken und Kanten des Jesus von Nazareth“, Gütersloher Verlagshaus, 176 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3579062389

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