Gott liebt ihre Menschen. Ja, wer die Graphic Novel von Liana Finck liest, stolpert immer erst ein wenig darüber, dass von „ihr“ die Rede ist, wenn Gott gemeint ist. „Let There Be Light“ (Und es werde Licht) heißt der 352 Seiten dicke Cartoon, der keineswegs nur lustig gemeint ist. Der Untertitel lautet „The Real Story of Her Creation“ – die wahre Geschichte ihrer Schöpfung. Und diese Schöpferin ist nicht nur kreativ, sondern auch voller Liebe für ihre Geschöpfe. Auch wenn diese ihr manchmal widersprechen und vor allem weil die Männer der Schöpfung einfach nicht wahrhaben wollen, dass Sie eine Frau ist.
Die jüdisch erzogene Künstlerin aus New York habe den Bibelunterricht besucht und in dem Buch der Bücher gelesen, schreibt Finck im Nachwort. Einen religiösen Gewinn habe sie daraus aber nicht ziehen können. Es störe sie dabei immer eine gewisse „unsichtbare Agenda“, etwa: Eva aß die Frucht vom Baum der Erkenntnis, deswegen muss die Frau dem Mann untertan sein. Gott sei ihr immer eher wie ein Kind mit starken Gefühlen und Sehnsüchten vorgekommen. Ihre Graphic Novel solle ihre Sicht auf Gott wiedergeben, und da sei es ihr schwer gefallen, Gott als Mann zu sehen. „Gott als Frau zu sehen war der erste Schritt für mich, mir dieses Buch neu zu erobern“, schreibt Finck.
Der Eindruck, dass es sich um ein feministisches Buch handeln könnte und weniger um ein Kinder-Vorlesebuch für die normale christliche Familie, zeigt sich schon dadurch, dass Finck zu Beginn vor allem ihrer Mutter dankt, „von der sie erschaffen wurde“ – na gut, mit „ein wenig Hilfe“ auch des Vaters vielleicht. Der erste Schöpfungsakt geht – wie könnte es dann auch anders sein – zumindest andeutungsweise aus dem Schoß der weiblichen Schöpferin hervor.
Die Zeichnungen der 36-jährigen Cartoonistin und Illustratorin sind – zumindest größtenteils – schön und schlicht. Das macht wohl ein Meisterwerk aus: Mit wenigen Mitteln viel Ausdruck verleihen. Und das gelingt Finck in der Tat sehr ansehnlich. Doch der Stil der Zeichnungen wechselt stark, ebenso deren Qualität. Sind sie besonders am Anfang schön anzuschauen, wirken sie zwischendurch fast ein wenig, als seien sie von einem Teenager in Eile dahingekritzelt worden, um dann wieder aufwendiger zu werden.
Adam und Lilith
Finck hat eine Fulbright Fellowship, eines der prestigeträchtigsten Stipendiate der Welt, ein Stipendium der New York Foundation for the Arts sowie ein „Six Points“-Stipendium für jüdische Nachwuchskünstler. Sie zeichnet regelmäßig für das Magazin The New Yorker und andere Publikationen, unter anderem auch für die Süddeutsche Zeitung.
Am sechsten Tag erschafft Gott die Tiere, und sie sieht recht zufrieden aus, wie sie da auf dem Boden kniet, dinosaurierähnliche Geschöpfe in der Hand hält und wie ein spielendes Kind zu ihnen sagt: „Spielt schön!“ Doch sie fühlt sich einsam, also beschließt sie, etwas zu schaffen, was ihr Ebenbild sein soll. Aus Lehm, ganz getreu der Bibel, knetet sie zwei Menschen: Adam und Lilith.
Lilith ist nach alten Überlieferungen eigentlich ein altorientalischer weiblicher Dämon und kommt im Alten Testament nicht vor. Bei Finck hat sie zwei Hörner und ist ein wenig eigensinnig. „Ich bin das Monster der Nacht!“, sagt sie und widerspricht Adam gerne. Adam sieht in Gott stets nur einen alten Mann mit Bart – der Grund dafür wird nicht erklärt. Und Gott hadert das gesamte Buch hindurch damit, ob sie den Männern die Wahrheit sagen soll oder nicht. Nur die Frauen scheinen die Wahrheit zu erkennen.
Liana Finck: „Let There Be Light: The Real Story of Her Creation“, Random House, 352 Seiten, 29 Euro
Finck versteht es, die Geschichten des Alten Testaments in ein modernes Licht zu stellen, was mitunter sehr lustig ist, manchmal driftet es etwas ins Alberne ab. Das erste, was Eva ihren Mann Adam fragt, nachdem beide vom „Baum des Wissens“ gekostet haben, ist: „Bin ich fett?“ Adam beißt in den Apfel und stellt fest: „Ja, du bist fett.“ Lilith verführte die beiden, indem sie ihnen weiß macht, Gott möge die beiden eigentlich nicht besonders, aber wenn sie genug Wissen anhäuften, brauchen sie Gott nicht mehr. Lilith wird zur Strafe in eine Schlange verwandelt. Der Hinweis, eines Tages werde ein Nachfahre Adams der Schlange den Kopf zertreten (was in christlicher Tradition häufig als Hinweis auf Jesus Christus verstanden wird), fehlt.
Ganz an den biblischen Text hält sich die Cartoonistin nicht, aber sie trifft sehr oft den Kern der Geschehnisse. Nie scheint Bosheit durch oder eine Ablehnung der Bibel. Als Kain versucht, Gott (auch für ihn ein Mann) mit einem Speisopfer zu gefallen, stellt sein Bruder Abel richtig fest: „Mit einem Gurkensalat kannst du ihn bestimmt nicht beeindrucken!“ Auch das in unserer Zeit allseits beliebte Einhorn bringt Finck unter: Als Gott die Menschen wieder vernichten will, opfert Noah sein Lieblingsgeschöpf: das Einhorn. Was macht Gott? Sie/Er schafft einen Regenbogen, um Noah zu trösten.
„Die Welt ist unfair“
Eine feministische Botschaft scheint bei allem durch, aber Finck drängt sie dem Leser nicht auf. Als Schlange kriecht Lilith zu Noahs Frau und verrät ihr, dass Gott eigentlich eine Frau ist, und dass ihr Mann sie doch in gewisser Weise unterdrücke. Denn sie mache doch die ganze Arbeit, aber Noah sei der Held der Geschichte. Finck merkt an, dass nicht einmal der Name von Noahs Frau überliefert ist. „War wohl nicht wichtig“, fügt sie hinzu.
Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel sagte Finck, Lilith übernehme den Part einer Feministin. „Gott und Lilith tragen einen Konflikt aus, den ich so in mir auch wiederfinde. Viele Frauen haben gelernt, dass es besser ist, nichts zu sagen, als für sich einzustehen. Ich habe das auch lange gemacht, aber für mich hat das nicht funktioniert. Heute bin ich eine flammende Feministin. Lilith beschwert sich zu Recht darüber, dass die Welt unfair ist.“
Die meisten Geschichten des Cartoons sind in die heutige Zeit übertragen. Sie wirken zum Ende hin aber immer liebloser und hastiger dahingezeichnet. Wenn sich der introvertierte Jakob lieber im Kochen übt, aber sein ungestümer Bruder Esau Party macht und E-Gitarre spielt, wirkt das ein wenig abgedroschen. Abraham schließlich wird als gescheiterter Künstler dargestellt, der sich darauf versteift hat, dass Gott ihm eine große Zukunft in der Kunstwelt versprochen hat, was gar nicht stimmt. Was will Gott eigentlich von ihm? Wofür ist sein Leben da? Das ist das Geheimnis, das Abraham erst noch herausfinden muss. Und das vielleicht jeder Mensch für sich selbst herausfinden muss.
„Let there be light“ ist größtenteils unterhaltsam, manchmal etwas zu abgedreht, aber vor allem doch sehr entfernt vom ursprünglichen Bibeltext. Man kann es gut mitgehen, dass Gott hier eine (sympathische und empathische) Frau ist; aber wenn man den Zauber des Bibeltextes genießen möchte, greift man wohl doch lieber wieder zum Original.
10 Antworten
Erstaunlich das das Buch so gut ankommt. Ich wurde hier vor nicht allzu langer Zeit noch zensiert wegen meiner feministischen Bibelerzählung von Jesina-Christina.
Hallo Maik,
Sie haben wieder mal den Witz nicht erfasst
Weil „niemand Gott je gesehen hat“, kann es durchaus erhellend und spannend sein kann, ihn einmal ganz anders zu denken (ob das jeweils hilfreich ist oder Sinn macht, das wird sich jeweils an den einschlägigen Bibeltexten prüfen lassen).
Schon Jesaja hat weibliche Aspekte Gottes benannt:
„Denn so spricht der HERR: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
und
„Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes?
Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen.“
Was aber ihre (offensichtlich nicht erfolgte) Zensierung angeht, Jesus Christus ist als historische Person ziemlich genau beschrieben. Ihr Versuch bleibt daher sinnfrei und kann deshalb weder amüsant noch wenigstens provozierend sein, – zu flach. Leider.
„Denn so spricht der HERR“
HERR ist eindeutig weiblich, da haben die recht….
In „Die Hütte“ wird „Gott Vater“ auch als Frau dargestellt – ist aufgrund der o.g. Jesaja-Zitate schon ok, männliche Stereotype mal zu verlassen, um eine umfassendere Vorstellung von Gott zu bekommen…
Ja ja, Gott ist immer gerade so, wie ihn der Zeitgeist haben will. Erst war er böse und strafend, dann auf einmal lieb und gütig. 2000 Jahre war er selbstverständlich ein Mann aber nun ist er auf einmal auch eine Frau. Früher war es für alles auf der Welt verantwortlich und heute guckt er nur noch zu.
Das Gebot „Du sollst Dir kein Bildnis machen“ gilt für Juden und Christen gleichermaßen, ja sogar für Muslime. Ideologische Umdeutungen zählen für mich durchaus dazu. Ich will nicht wissen, was los wäre, wenn eine (muslimische) Feministin den Allah des Koran als Frau darstellen würde…
Hier wird dem allmächtigen Gott gelästert, Gottes Wort wird veralbert und gewöhnlich gemacht. Sie wissen nicht was sie tun – passt zu dem Zeitgeist – wahrscheinlich gefällt es auch noch den Menschen. Der Glaubensabfall schreitet erschreckend schnell voran.
L.G. Martin Dobat
Es ist amüsant, oft auch erhellend eine parodierende Darstellung zu lesen. – Um das aber genießen zu können, müsste man das Original gut genug kennen um den eigentlichen Witz der Parodie begreifen zu können.
Bleibt also das Fazit des Artikels: „Wer den Zauber des Bibeltextes genießen möchte, greift … zum Original.“
– Insbesondere wer den (gelungenen – oder auch misslungenen – ) Witz dieses Bibel-Comics erfassen will, der sollte daneben immer wieder den Originaltext legen.
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe;
und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.
Und Gott sprach: Es werde Licht!
Und es ward Licht.
Und Gott sah, dass das Licht gut war.
Da schied Gott das Licht von der Finsternis
und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.
Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
…
„
Es ist im Prinzip ganz einfach: Gott ist keine Frau. Gott ist kein Mann. Gott ist … Gott!
Deswegen tut es manchmal auch ganz gut, sich Gott als Frau vorzustellen anstatt sich auf Gott als alten weißen Mann oder so vorzustellen. Mich fasziniert z.B. auch der Satz: „How is God? – She´s black“, zu deutsch „Wie geht es Gott/Wie ist Gott – Sie ist schwarz“, um mir bewusst zu machen, dass unser Gott sich klein macht und mit den Unterdrückten mitleidet. Aber klar, wir brauchen immer beide Seiten, man kann auch zu sehr die weibliche Seite betonen