Sicherer Halt bei Sonne, Sturm & Wind

Helgoland ist Deutschlands einzige Hochseeinsel. Pamela Hansen ist dort Inselpastorin. Im Sommer stehen die tausenden Touristen im Vordergrund ihrer Arbeit, im Winter die Insulaner. Bei ihrer Arbeit geben Natur und Wetter den Takt vor.
Von Johannes Schwarz
Deutschlands einzige Hochsee-Insel Helgoland von oben

Pamela Hansen steht am Helgoländer Südhafen und spricht mit dem Kapitän des Fährschiffs „MS Helgoland“, das gerade aus dem 63 Kilometer entfernten Cuxhaven kommt und sich durch Wind und Wellen gekämpft hat. Sie ist vertraut mit den meisten Insulanern auf Helgoland und viele vertrauen ihr. Hansen ist schließlich schon seit elf Jahren die Inselpastorin für rund 1.200 Helgoländer.

Und so ist sie auch oft erkennbar: Mit einem weißen Kollar am Kragen. Sie hat einen hellen Mantel übergezogen, denn das Wetter ist bescheiden. Nur ab und zu strahlt die Sonne über Helgoland. Meist ist es grau und es stürmt. Doch ihr Gespräch mit dem Kapitän stört dies nicht. Nach der Verabschiedung geht es vom Unterland, dem tiefer gelegenen Teil der Insel, auf das Oberland, wo „ihre“ Kirche steht: die Evangelisch-Lutherische Kirche Sankt Nicolai.

Auf dem Weg grüßt sie mehrmals Menschen, ob Polizisten, Insulaner oder treue Touristen. „Hier kennt fast jeder jeden“, sagt sie, während eine Windböe durch die Straßen fegt und eine schwarz-goldene Katze wenige Meter mitläuft, bevor sie sich hinter einem Haus Schutz sucht.

Schutz, Ruhe und Trost finden Touristen und Insulaner in „ihrer Kirche“. Im Sommer, wenn die Touristen aus ganz Deutschland da sind, kommen bis zu 120 Menschen, im Winter sind es 20 bis 30 Besucher, die meisten sind dann Insulaner. Die 52-jährige Hansen sagt: „Ich liebe meine Kirche.“ Das Kirchengebäude wurde nach dem Zweiten Weltkrieg komplett neu gebaut und 1959 eingeweiht.

Staunen über die Natur

Hansen studierte in Kiel Theologie. Nach ihrem Abschluss fand sie keine Stelle in einer deutschen Gemeinde, deswegen ging sie für fünf Jahre in die USA. In der Nähe von Detroit im US-Staat Michigan wurde sie Pastorin und gewann Berufserfahrung. Doch der Ruf zurück nach Deutschland war für sie deutlich zu hören – und es sollte nach Helgoland gehen.

Ihr damaliger Mann und sie gaben der Insel eine Chance. Und: Hansen will nicht mehr weg von ihr. Nach elf Jahren als Inselpastorin sagt sie: „Ich bin durch Helgoland demütiger geworden.“ Hier könne sie nicht alles sofort haben, was sie will. Was auf dem Festland selbstverständlich ist, etwa frisches Obst im Supermarkt, ist hier nicht immer vorhanden. Bei Sturm oder im Winter ist das Leben hier anders. Sie ist dankbarer als früher, vor allem wegen „der kleinen Dinge im Leben“.

Ihr Glaube jedoch hat sich durch das Leben mitten in der Nordsee nicht geändert, schließlich habe Gott und der Glaube immer zu ihrem Leben gehört. Allerdings ist das „Staunen über die Schöpfung größer geworden“. Hier auf Helgoland „sind wir mit der Natur und dem Meer verbunden“, erklärt sie. Jesus Christus ist ihr ein lieb gewordener Freund und zugleich ein Vorbild darin, was es heißt, Nächstenliebe zu leben und sich selbst anzunehmen.

Hansen findet in der Bibel viele Stellen und Geschichten, die sie besonders mag. Etwa Jesu Appell an seine Gemeinde, Salz und Licht zu sein. Hier auf Helgoland sehe sie „viele Menschen, die Licht sind und in das Leben anderer leuchten“. Das ist ein riesiges Geschenk. Die Hilfe und Fürsorge auf der Insel seien einzigartig – und zwar auch schon vor der Corona-Pandemie, die auch hier auf Helgoland für viel Ruhe  sorgte.

Das Miteinander immer im Fokus

Doch auch Traurigkeit gehört zu Hansens Leben hier auf der Insel. Vergangenes Jahr starb ihr zweiter Mann an Corona, außerdem litt er seit einiger Zeit an Leukämie und musste auf dem Festland im Krankenhaus versorgt werden. Menschen, die ihr begegnen, spüren der vom Naturell so fröhlichen Pastorin ab, dass die Krankheit und der Tod ihres Mannes noch schwer zu verkraften sind.

Hansen beängstigt es im Alltag nicht, dass Helgoland eine Insel weit in der Nordsee ist, die teilweise nicht einmal mit Schiff oder Flugzeug erreichbar ist. „Doch wenn die Gesundheit eines Menschen daran hängt, ist dies nur schwer zu ertragen“, sagt sie mit einer traurigen und doch hoffnungsvollen Stimme. Die Insulaner haben ihr in all der schweren Zeit stets geholfen und standen ihr zur Seite. Auch ein Grund, die Insel nicht zu verlassen. Hinzu komme, dass ihr der Glaube Kraft und Halt gebe. Seit der Krankheit und dem Tod ihres Mannes lese sie die Bibel anders.

Hören andere ihr zu, bemerken sie, dass die Theologin ein geselliger Mensch ist, die stets das Miteinander sucht und ihr Pastorinnen-Sein gerne in Gesellschaft lebt. So ist es nicht verwunderlich, dass sie bei der jährlichen Urlauber-Seelsorge im Sommer dieses Jahr das Kirchenkaffee favorisiert. Dort kann sie mit Touristen und Insulanern ins Gespräch über Gott und die Welt kommen.

Pamela Hansen ist seit Januar 2012 Pastorin der evangelischen Kirchengemeinde auf Helgola(Foto: picture alliance) Foto: picture alliance
Pamela Hansen ist seit Januar 2012 Pastorin der evangelischen Kirchengemeinde auf Helgoland

Auch im Internet ist Hansen Ansprechpartnerin. Seit mehr als zehn Jahren ist sie auf sämtlichen Social-Media-Plattformen zu finden. „Das ist Teil meiner Berufung.“ Hier komme sie mit Christen und Suchenden ins Gespräch. Durch Direktnachrichten sei auch Seelsorge im kleinen Stil möglich. Besonders viel Resonanz erhalte sie auf ihr Morgengebet, welches sie jeden Tag – außer montags, ihrem Ruhetag – in der Frühe online stellt. „In den sozialen Medien bin ich genauso Pastorin, wie ich es auch im Analogen bin“, erklärt die Helgoländerin.

Mediale Aufmerksamkeit bringt Reichweite

In der digitalen Welt probiert sie sich gerne aus. Erst in diesem Jahr hat sie einmal eine Predigt von der Künstlichen Intelligenz „ChatGPT“ schreiben lassen und diese in Auszügen vor ihrer Gemeinde vorgetragen. Auch vor Medien-Auftritten scheut sie sich nicht: So war sie schon in der NDR-Talkshow „Tietjen und Bommes“ zu sehen oder wurde von der Tagesschau-Moderatorin Judith Rakers für eine Doku über Helgoland besucht. Die mediale Aufmerksamkeit bringe ihr Reichweite. „Ich habe einen Verkündigungsauftrag“, sagt sie. Da seien Medien eine hilfreiche Stütze.

Geschichte Helgolands

Helgoland stand über mehrere Jahrhunderte unter dänischer Krone. 1807 wurde die Insel eine britische Kolonie, 1890 übergaben die Briten sie ans deutsche Kaiserreich. Im April 1945 bombardierte das britische Militär die Insel massiv. Die überlebenden Bewohner wurden evakuiert, bevor Großbritannien die Insel besetzte. Zwei Jahre später sprengten die Briten die militärischen Bunkeranlagen. 1952 ging die Insel wieder an Deutschland über und wurde neu besiedelt.Ende des 8. Jahrhunderts soll die erste christliche Kapelle auf Helgoland gebaut worden sein.

Vor Helgoland liegt die Insel „Düne“. Sie war ursprünglich mit der Hauptinsel verbunden. Eine Sturmflut riss die Teile in der Neujahrsnacht 1721 auseinander. Auf der Düne gibt es rund 130.000 Quadratmeter Strand. Die evangelische Kirche St. Nicolai wurde 1559 eingeweiht.

Einen typischen Alltag hat die Inselpastorin nicht. Natürlich gebe es feste Abläufe, doch auf einer Insel „muss man flexibel sein“. Den Morgen startet sie mit dem Morgengebet auf Social-Media, meist geht sie dann eine Runde um die Insel joggen. Nach dem Frühstück sei die Arbeit am Schreibtisch im Fokus, und dann gibt es jeden Tag andere Termine: Urlauber-Seelsorge vorbereiten, Predigten schreiben oder Seebestattungen organisieren. Denn auf Helgoland werden viele Menschen per Seebestattung beerdigt – gleich ob Insulaner oder Menschen vom Festland. Hansen begleitet die Angehörigen, berät sie und führt dann die Beerdigungen durch. Doch auch Taufen oder Hochzeiten werden auf Helgoland gefeiert.

Der Zusammenhalt auf Helgoland fasziniert die Theologin. Auch die Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirche sei „großartig“, sagt Hansen. Im Winter gebe es seit dem vergangenen Jahr gemeinsame Gottesdienste. Monatlich wechseln sie die Kirchen. So würden Heizkosten gespart und noch mehr Gemeinschaft gelebt. Auf der Insel zähle, was dort ist: die Menschen, die Gemeinschaft und das Licht des Glaubens.

Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 6/2023 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen