In der ARD-Sendung „Kontraste“ haben Eltern zweier evangelischer Kindertagesstätten aus Hamburg und Berlin von Übergriffen auf ihre Kinder berichtet. Bei der Anwendung einer Methode namens „Original Play“ soll es zu sexuellem Missbrauch gekommen sein. Betroffen ist eine Kita in Berlin-Kreuzberg, die Ermittlungen wurden aber bereits 2018 wegen Mangels an Beweisen eingestellt. Auch an einer evangelischen Kita in Hamburg erstattete eine Mutter im vergangenen Sommer Anzeige, hier wurde das Verfahren aus Mangel an Beweisen ebenfalls eingestellt.
Politik fordert Verbot
Aufgerüttelt durch den Beitrag in der ARD distanzieren sich nun politische Instanzen, aber auch Pädagogen und die Kirche selbst von der Methode. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) etwa teilte am Montag mit: „Wir warnen, die Methode ‚Original Play‘ zu praktizieren, da es zu Grenzüberschreitungen im Umgang mit Nähe und Distanz kommen könnte.“ Auf Nachfrage von pro stimmte auch die Evangelische Kirche in Berlin (EKBO) zu. Man teile die Sicht der EKD, erklärte eine Sprecherin, nahm aber auch die betreffende Kirchengemeinde in Kreuzberg in Schutz: „Original Play“ sei nicht ständig gespielt worden, zudem in einem öffentlichen Raum. Jeder habe dazu kommen können, auch die Eltern. Der damals zuständige Gemeindepfarrer selbst war für pro am Dienstag nicht zu erreichen.
In einer Mitteilung der EKBO von Freitag heißt es weiter, die Kindertagesstätte habe „Original Play“ 2014 in sein pädagogisches Konzept aufgenommen, die Eltern seien informiert gewesen. Der Evangelische Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord habe 2017 die Trägerschaft für die Kita in Kreuzberg übernommen. Zuvor war eine Kreuzberger Kirchengemeinde zuständig. Im Mai 2018 – also nach Bekanntwerden der Vorwürfe – strichen die Verantwortlichen die Methode vom Kita-Plan. Seitdem werde das Spiel in keiner Kindertagesstätte dieses Kitaverbandes mehr gespielt. Wie es mit anderen Trägern und evangelischen Kindertageseinrichtungen aussehe, sei nicht bekannt, teilte die EKBO mit.
Derweil warnte auch das Bezirksamt Neukölln vor „Original Play“ und fordert ein Verbot. Laut Informationen des Spiegel sieht die Berliner Kita-Aufsicht ebenfalls eine „Gefahr der Grenzüberschreitung“. Der Sprecher des Bildungssenats, Thorsten Metter, erklärte dazu: „Wir prüfen derzeit, ob ein Verbot möglich ist.“
Was es mit „Original Play“ auf sich hat
Was aber ist „Original Play“ eigentlich? Erfunden hat die Methode der US-Amerikaner Fred Donaldson. Er selbst hat mehrfach öffentlich erklärt, keine pädagogische Ausbildung zu haben. Seine Methode des Spielens habe er von Kindern und Tieren erlernt. „Original Play“ soll Kindern helfen, eine ursprüngliche Form des Spielens losgelöst von Konkurrenzverhalten und Leistungsdruck wiederzulernen. Es umfasst mitunter engen körperlichen Kontakt zu Kindern und Erwachsenen. Das Raufen soll unter anderem dem Aggressionsabbau, aber auch dem Erlernen eigener Grenzen dienen, wie die Vertreter erklären.
pro hat mit einem Pädagogen gesprochen, der „Original Play“ anwendet, namentlich aber nicht genannt werden will. Er ist einer der wenigen in Deutschland, die als externe Berater in Kitas gehen. Für ihn sind die Vorwürfe gegen die Erfinder „abstrus“. Im Gespräch mit pro erklärt er, in der Regel besuchten bereits in Einrichtungen angestellte Erzieher Workshops dazu und nähmen das Erlernte dann mit in die Kita. In seltenen Fällen wendeten externe Kräfte das „Original Play“ in Kitas an. „Es gehört nicht zum Konzept, dass fremde Menschen in Kontakt mit den Kindern kommen“, versichert er. Wenn dies einmal der Fall sei, dann handele es sich um einige wenige Personen, die jahrelange Erfahrung und Supervision durch Donaldson und seine Kollegen mitbrächten. Einen formalen Abschluss oder Standardvoraussetzungen aber gibt es nicht für die Anbieter. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist „Original Play“ in Deutschland auch nicht als Verein organisiert. Die Arbeit stehe hierzulande noch am Anfang.
Von: Anna Lutz