"30 Prozent der Acht- bis 13-Jährigen haben sich pornografische Filme im Internet bereits angesehen. Bis zum 18. Lebensjahr sind dann die meisten längst in Kontakt gekommen", sagt Beier und prognostiziert einen weiteren Anstieg der Konsumentenzahlen unter Jugendlichen. Der Grund: Die Technologien würden immer besser. So könnten Filme mittlerweile etwa per Handy verschickt werden. "Die Bilder standen noch nie in einem solchen Umfang zur Verfügung wie heute", sagt Beier. Auch Jugendschutzvorrichtungen versagten oft. "Ein Klick auf den Knopf ‚Ich bin 18‘ reicht, um freien Zugang zu der breiten Palette an Filmen zu bekommen. Das kann auch ein Zehnjähriger tun. Eine Kontrolle im Netz gibt es nicht."
Als hätten sie es selbst getan
Mit dieser Entwicklung einher gehe eine Veränderung des Erlebens von Sexualität. Während sich junge Menschen früher nach dem Prinzip "Learning by Doing" mit Sex auseinandergesetzt hätten, gelte nun: Erst sehen, dann machen. Dies vermittle ein "realitätsfernes Bild". Beier beschreibt, wie das junge Menschen prägt: "Wenn man als Kind Erwachsene beobachtet, ist das wie Lernen am Modell. Die neurobiologische Grundlage dafür sind die so genannten Spiegelneuronen im Gehirn. Sie bewirken, dass allein das Betrachten eines Vorgangs im Gehirn des Betrachters die gleichen Neuronen aktiviert, als hätte dieser die Handlung selbst durchgeführt. Wir müssen davon ausgehen, dass sich über die Spiegelneuronen auch sexuelle Handlungen im Gehirn abbilden und damit also das, was in den pornografischen Filmen von den Kindern und Jugendlichen gesehen wird."
Beier sagte weiter: "Es wäre naiv zu glauben, dass sich diese Darstellungen nicht auf das sexuelle Selbstbild der Jugendlichen auswirken." Der Wissenschaftler ruft Eltern dazu auf, die Bindungen zu ihren Kindern zu kultivieren und ihnen Liebe entgegenzubringen. "Ein Kind muss merken, dass es mit allem zu seiner Mutter oder seinem Vater kommen kann. Und die Eltern dürfen die Existenz der pornografischen Angebote nicht einfach übergehen. Sie müssen eine Haltung dazu aufbauen, eine eigene Sicht auf die Dinge, die klar macht: Das sind Darstellungen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Das strahlt auf die Kinder ab." (pro)