Der Name Little Richard ist heute nicht mehr so bekannt wie andere große Namen des Rock, und doch war etwa die damalige Newcomer-Band The Beatles froh, als Vorband von Little Richard auftreten zu können, ihrem Idol. Berühmt wurde der 1932 in Macon, Georgia, geborene Musiker durch den Ruf „Wop bop a loo bop a lop bom bom“ im Song „Tutti Frutti“, der auch als die Geburtsstunde des Rock ’n’ Roll bezeichnet wird. Little Richard entdeckte James Brown, Otis Redding begann seine Karriere als Little Richard-Imitator, Jimi Hendrix stieß Mitte der 1960er-Jahre zu Little Richards Band, und viele andere Musiker begannen ihre Karriere mit oder wegen Little Richard. Der amerikanische Journalist Mark Ribowsky bringt dem Leser in einer neuen Biografie die schillernde Figur näher und verdeutlicht dessen lebenslangen Konflikt zwischen christlicher Verwurzelung und sexueller Ausschweifung.
Gospel versus sexuelle Revolution
Rock ’n’ Roll, das wird im Buch „Das großartige Leben des Little Richard“ wieder neu deutlich, war gesellschaftlich so bahnbrechend, weil er einen Ausbruch aus den verklemmten 50er Jahren bedeutete, eine Rebellion gegen die Elterngeneration. Gleichzeitig steht die Musik auf den Füßen der Gospel-Musik, die in den Kirchen der Schwarzen gesungen wurde. Es ist, als würde sich dieser scheinbare Widerspruch in der Person von Little Richard wiederfinden.
Der Begriff Rock ’n’ Roll selbst entstammt, wenn man so will, einem religiösen Hintergrund, klärt Ribowsky auf. So hieß es in dem Lied „Get Rhythm in Your Feet“ 1935 sinngemäß: „Wenn dir Satan im Nacken sitzt, fang an zu rocken und zu rollen“, was sich im Lauf der Jahre zum Ausdruck „Rock Me“ verkürzte. Gleichzeitig hatte der Begriff aber auch eine sexuelle Konnotation. In den meisten Texten war klar, dass viel von Sex die Rede war, und auch Little Richard gab das offen zu.
Zeit seines Lebens plagte den Musiker aber immer wieder ein schlechtes Gewissen wegen seiner Homosexualität. Er wuchs als drittes Kind in Macon, einem Ort im Bundesstaat Georgia auf. Sein Großvater war Pastor, sein Vater war Prediger, aber zugleich auch Schwarzhändler und Nachtclubbesitzer. Drei von Little Richards Onkeln waren Seelsorger, einer heilte sogar Kranke durch Gebete. Richards Vater war Methodist, seine Mutter Baptistin, so dass der Junge unterschiedliche Kirchengemeinden besuchte und dort Klavier spielte. Weil seine Gangart komisch und unmännlich auf die anderen Kinder wirkte, wurde er gehänselt und schon damals „Schwuchtel, Weichei, Missgeburt oder Abschaum“ genannt, wie der Musiker berichtet. Er verschwand im Zimmer seiner Mutter und schminkte sich, und auch weil er sich zu anderen Jungen hingezogen fühlte, war ihm früh klar, dass er anders war als die anderen. Der Vater warf den Jungen wegen seiner Homosexualität aus dem Haus, als er 13 war. Auch die Musik, der sich Little Richard zuwandte, der Rock ’n‘ Roll, war in den Augen der Eltern „Teufelsmusik“.
Als Schwarzer und Homosexueller in den 50er Jahren
Die 50er Jahre waren für einen Schwarzen in den Südstaaten schon nicht leicht, als Homosexueller war es zusätzlich schwierig. Auf die Straße gesetzt, fing Little Richard bei einem Wanderzirkus an. Als Schwarzer bekam er kein Hotelzimmer und musste unter freiem Himmel schlafen; er wurde oft verdroschen, berichtete er. Doch schon damals war sein Vertrauen auf Gott da: „Ich wusste, dass es etwas Besseres gab und der König der Könige es mir zeigen würde. Ich war Gottes Sohn. Er würde mir den Weg ebnen“, sagte Little Richard später. Er wollte Geistlicher werden und startete mehrmals im Leben den Versuch, Theologie zu studieren. „Er wollte Religion und Singen wirklich miteinander vereinbaren“, schreibt Ribowsky.
Das Studium an einer Privatschule der Siebenten Tags-Adventisten schlug fehl wegen des Versuchs einer Annäherung an einen Studenten. Richard wollte sich ändern, man riet ihm, seine Homosexualität durch Gebete zu überwinden und sich eine Frau zu suchen. Tatsächlich heiratetet Richard 1959 ein junges Mädchen, das die Gemeinde für ihn ausgesucht hatte, die Ehe hielt nur vier Jahre. Je erfolgreicher er wurde, desto mehr driftete das Leben des Sängers immer mehr ab in Drogen und Orgien. „Man hätte mich Little Cocaine nennen müssen, so viel von dem Zeug schnabulierte ich!“, sagte der Sänger. Er bemerkte mehrmals, die Drogen hätten ihm bewusst gemacht, „was wegen meiner Homosexualität aus mir geworden war“. Sie war seine „Geißel“. Er selbst wurde immer gewalttätiger, in seiner unmittelbaren Umgebung kamen Menschen ums Leben, viele durch Schusswaffen.
Und in all diesen Tagen betete er regelmäßig und las in der Bibel, wie er berichtet. Trotz des vielen Geldes suchte Richard eine spirituelle Erfüllung. Ende der 70er Jahre wollte er erneut dem Showgeschäft den Rücken kehren und Pastor werden, er machte wieder christliche Musik und verkaufte Bibeln. Er war immer überzeugt, durch Gottes Willen so berühmt und erfolgreich zu sein. Seine Stimme könne die Welt „vom Rock ’n’ Roll zum Fels der Ewigkeit führen – um sie auf das ewige Leben vorzubereiten“, sagte er.
Am 9. Mai 2020 starb der legendäre Pionier des Rock, der von sich selbst augenzwinkernd sagte: „Ich bin Little Richard, der König des Blues … und seine Königin ebenfalls!“ Das nicht ganz jugendfreie Buch „Das großartige Leben des Little Richard“ versetzt den Leser an wichtige Startpunkte der Rockmusik und porträtiert einen Menschen, der als Schwarzer und als Homosexueller in seiner Zeit zwischen mehreren Stühlen stand. Ribowsky stellt den christlichen Glauben des Stars nicht in den Vordergrund. Wie genau Richards Christsein aussah und woran er glaubte, bleibt im Dunkeln. Und doch versteht man den Mann ein bisschen besser, der sich und unzähligen Teenagern mit dem Ruf „Wop bop a loo bop a lop bom bom“ eine Tür zu Freiheit aufstieß, und der trotz oder gerade wegen seiner Eskapaden immer auf der Suche nach Gottes Weg blieb.
Mark Ribowsky: „Das großartige Leben des Little Richard“, Hannibal Verlag GmbH, 224 Seiten, 23 Euro, ISBN 9783854457077
2 Antworten
Wie kann man nur ein solches Buch in einer christlichen Zeitung promoten?
Naja, „promoten“ trifft es ja nicht, es ist eine Buch-Rezension. Das heißt, man erfährt, was im Buch drin steht.