Saad Amrani, Polizeichef der Gemeinde Ixelles in Brüssel, hat die Terroranschläge in seiner Heimat im März 2016 im Dienst miterlebt. Am Freitag war er einer von mehreren Experten, die die CDU-nahe Adenauer-Stiftung zum Dialog über „rechtsfreie Räume und Parallelgesellschaften“ eingeladen hatte. Seine wichtigste Botschaft: „Seien Sie nicht politisch korrekt!“
Nicht verdrängen, sondern verstehen
Terror entstehe durch drei Probleme: Verdrängung, politische Korrektheit und das mangelnde Verständnis davon, „was in unseren Nachbarschaften passiert“. Amrani erklärte das am Beispiel Molenbeek, jenem Brüsseler Stadtteil, der nachweislich Terroristen hervorgebracht hat. Brüssel habe bereits in den 1970er Jahren Gastarbeiter ins Land geholt, ohne einen Plan davon zu haben, wie es mit ihnen langfristig weitergehen soll. Es habe auch von jeher an einem Verständnis für die ethnischen Gruppen gemangelt, die dort leben. Zudem habe man es mit fundamentalistischen Geldgebern aus dem Ausland zu tun, die seit über 40 Jahren den Aufbau eines rückwärtsgewandten Islam in Brüssel finanzierten, sagte der Polizist mit Blick nach Saudi-Arabien.
„Es geht hier nicht um Rassismus oder Diskriminierung“, machte Amrani klar. Durch ausländische Gelder sei es Islamisten gelungen, Kämpfer zu rekrutieren, von denen 20 Prozent nicht arabischstämmig seien. Zudem gebe es tausende illegale radikale Einwanderer, die seit Jahren durch Europa reisten. „Darum hätten wir uns vor 15 Jahren schon kümmern müssen“, sagte er und warb für eine umfassende EU-Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus. Ein Land alleine könne möglichen Attentätern, die sich über Ländergrenzen hinweg bewegten, nicht Herr werden. Die Mechanismen, die er beschreibe, hätten nicht nur zum Terror in Brüssel geführt, sondern ebenso zum Anschlag in Berlin.
„Du kannst alles tun, wenn du ein wahrer Moslem bist“
Auch Susanne Schröter, Direktorin am Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam der Goethe-Universität, warb für eine ergebnisoffene Untersuchung des islamistischen Terrorismus. Der immer wieder – auch ihr gegenüber – geäußerte Vorwurf der Islamophobie sei ein Hindernis bei der Forschung.
Marwan Abou-Taam vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz forderte einen breiten und offenen Dialog über den Islamismus: „Wenn gesellschaftspolitische Probleme nicht in der Mitte der Gesellschaft diskutiert werden, werden sie an den Rändern diskutiert – und dann wird die Debatte von radikalen Kräften gesteuert.“
Abou-Taam wandte sich gegen die Annahme, Terror entstehe aus Islamophobie und Diskriminierung. „Wir müssen fragen, warum nicht auch andere marginalisierte Gruppen radikal werden – Juden zum Beispiel.“ Er sieht einen anderen Mechanismus, der derzeit dazu führe, dass sich so viele radikalisieren. Während die Terrorgruppe Al-Kaida die eigenen Leute noch als Opfer darstellte, arbeite der sogenannte Islamische Staat mit einem „Siegernarrativ“. Statt: „Der Westen will uns unterdrücken“, heiße es heute: „Du kannst alles tun, wenn du ein wahrer Moslem bist.“ Das wirke schon bei Jugendlichen und Kindern. Schaue man, wer sich dem Dschihad anschließe, werde schnell klar: „Es handelt sich um junge Männer.“ Und die seien bekanntlich empfänglich für revolutionäre Ideen und das Rebellieren gegen Autoritäten.
Islamistische Anführer sind PR-Profis
Islamistische Anführer zeichneten sich vor allem durch zwei Dinge aus, erklärte Peter Neumann, Sondergesandter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Bekämpfung von Radikalisierung. Sie seien Pioniere, etwa wenn es um den Einsatz des Internets zur Verbreitung ihrer Botschaften gehe, und zugleich ausgesprochen charismatisch. Das mache sie zu PR-Profis. Ihre Slogans würden weltweit bekannt und von ihnen gegründete Gruppen seien berühmt, etwa die sogenannte Scharia-Polizei, die 2013 in London Schlagzeilen machte und danach Ableger in zahlreichen anderen Ländern hatte, auch in Deutschland. „Wir haben es mit einer sehr kleine Anzahl islamistischer Anführer mit einem sehr großen Einfluss zu tun“, sagte Neumann. Das Internet sei bei der Rekrutierung nicht annähernd so wichtig, wie allgemein angenommen. Die meisten Radikalisierungen gingen auf persönliche Kontakte zurück. (pro)
Von: al