Sechs „Thesen zur Digitalen Evangelisation“

Wie können junge Menschen in der zunehmend digitalen Welt mit dem Evangelium erreicht werden? Eine Projektgruppe hat dazu Thesen formuliert.
Von Norbert Schäfer
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Da es im Bereich der digitalen Evangelisation an Wissen, Forschung und Strategien mangeln würde, haben die CVJM-Hochschule, die „Stiftung Wertestarter“ und das „Institut zur Erforschung von Mission und Kirche“ (IMK) im vergangenen Jahr das Projekt „Evangelisation 4.0“ ins Leben gerufen.

Eine „Theologiemanufaktur“ hat nun mit der Veröffentlichung von sechs „Thesen zur Digitalen Evangelisation“ einen Impuls gesetzt und will damit die Debatte zu dem Thema eröffnen. Weil den Beteiligten eigenen Angaben zufolge „klar war, dass für dieses Feld keine Theorie oder Theologie aus dem Elfenbeinturm“ infrage kommt, suchten sie neben theologischer Fachkompetenz die Erfahrung von Personen, die selbst online unterwegs sind. Daraus hat sich die „Theologiemanufaktur“ – eine Kooperation mit „ERF Medien“ – verschiedener Personen entwickelt.

In dem Thesenpapier bewerten die Unterzeichner die digitale Evangelisation vor dem Hintergrund der digitalen Transformation der Gesellschaft und der zunehmend digitalen Welt als einen wichtigen Baustein christlicher Mission. Dies gelte besonders für die Zielgruppe junger Menschen, für die das Digitale – insbesondere in den Formen von Social-Media-Plattformen wie Tiktok, Youtube und Instagram – selbstverständlich sei und einen zentralen Stellenwert in deren Leben einnehme.

Im Fokus: Junge Menschen mit „besonderer Affinität“ zu Digitalem

Das Ziel jeder Form von Evangelisation soll der ersten Thesen zufolge sein, „die frohe Botschaft des Evangeliums attraktiv und zeitgemäß zu kommunizieren“. Als die primäre Zielgruppe digitaler Evangelisation haben die Initiatoren Menschen mit „besondere Affinität zu digitalen Medien und Kommunikation“ identifiziert, „die bisher wenig oder nichts mit dem christlichen Glauben zu tun haben“. Weil diese Zielgruppe auch im Digitalen heterogen sei, sollen auch digitalen Inhalte zur Evangelisation auf Alter, Interessen, Milieus und Gewohnheiten der konkreten Zielgruppen angepasste sein. Dabei müssten die Angebote die „spezifischen Logiken“ der digitalen Plattformen wahrnehmen, etwa deren Interesse zur Verbreitung von Werbeeinnahmen. „Damit evangelistischer Content sichtbar wird und Verbreitung findet, muss in gewissem Maße diesem Interesse Rechnung getragen und gleichzeitig immer wieder ethisch reflektiert werden“, heißt es in der dritten These, und weiter: „Auch in der digitalen Evangelisation heiligt der Zweck nicht die Mittel. Daher braucht es einen konstruktiv-kritischen Umgang mit diesen jeweiligen Logiken und das Akzeptieren der Unverfügbarkeit digitaler Evangelisationsprozesse.“ Während Evangelisation in der geistlichen Dimension immer unverfügbar sei, komme bei der digitalen Evangelisation noch eine technische Unverfügbarkeit – oder zumindest eine eingeschränkte Verfügbarkeit – hinzu.

Nach dem Willen der Initiatoren soll digitale Evangelisation „möglichst plural und so facettenreich sein wie das Evangelium selbst“. Damit soll der Pluralität von Inhalten als einer zentralen Eigenschaft digitaler Plattformen Rechnung getragen werden. „Digitale Evangelisation zielt darauf ab, eine Resonanz auf dieses facettenreiche Evangelium und die Botschaft des Glaubens zu erzeugen“, heißt es in der fünften These, und weiter: „Sie möchte beim Gegenüber eine Reaktion auslösen, die wahrgenommen wird und das Potenzial hat, eine positive und lebensdienliche Veränderung herbeizuführen.“

Letztlich, so besagt es die sechste These, sollte sich digitale Evangelisation „bewusst sein, dass sie Teil eines umfassenden geistlichen Prozesses auf der Glaubensreise von Menschen ist“ und „sich als ein Bestandteil des gesamtchristlichen Auftrags von Mission und Nachfolge“ verstehe. Es bedürfe daher „eines Bewusstseins dafür, dass Menschen, die sich durch digitale Evangelisation ansprechen lassen, weitere Kontaktflächen und Begleitung benötigen, ohne dass dies immer von den Content Creator evangelistischer Kommunikation geleistet und angeboten werden muss“. Daher bedürfe es „auch der Förderung digitaler oder analoger Follow-ups und Begleitangebote“.

Zu den Unterzeichnern der Thesen gehören neben Johannes Nehlsen, Geschäftsführer der „Wertestarter“, Florian Karcher und Anna-Lena Moselewski vom Institut für missionarische Jugendarbeit an der CVJM-Hochschule, auch Joachim Bär von „ERF Deutschland“, auch die Influencer Christopher Schacht (@life.lion.official) und Tim Gutenberger (@timmelhimmel) und andere.

Bibel kennt „die Frage von Digitalität“ nicht

Die Initiatoren und Unterzeichner sehen in den Thesen keine Charta, die christliche Influencer unterzeichnen sollen. Vielmehr sollen nach eigenem Bekunden die Thesen zum gemeinsamen Weiterdenken und zur Diskussion über digitale Evangelisation anregen. Dass die Thesen keinen Bezug nehmen zur Bibel oder Bibelstellen, begründen die Initiatoren unter anderem damit, dass die Bibel „die Frage von Digitalität“ nicht kenne. Zudem sei die Digitalisierung eine so große Veränderung, dass jeder Versuch eines Vergleiches – wie etwa beim „Übergang von mündlicher in schriftliche Tradition der biblischen Texte“ – an der Sache vorbeigehe.

Die Gefahr, dass Plattformen wie Tiktok und Instagram oft als Mittel der Selbstdarstellung dienen, haben die Unterzeichner eigenen Angaben zufolge als „zentralen Punkt“ erkannt, der im Entstehungsprozess der Thesen „am stärksten diskutiert“ worden sei. „Wer für Evangelisation diese Plattformen nutzt, der unterstützt ihre Logiken immer auch ein stückweit“, antworten Moselewski, Daum und Karcher auf Anfrage. Und weiter: „Auf der anderen Seite ist es einfach Realität, dass die Jugendlichen eben darüber erreichbar sind. Es ist ihre Sprache und die Alternative wäre es, über diese Medien das Evangelium nicht zu verkünden“.

Weil im Internet und in den sozialen Medien viel Ungutes kursiert, bewerten Christen digitale Evangelisation durchaus kritisch und sehen darin mehr eine Gefahr für die Jugend, denn eine Chance zur Verkündigung des Evangeliums unter jungen Menschen. Dazu erklärten Moselewski, Daum und Karcher auf Anfrage: „Sowohl bei Einführung des Buchdrucks, des Radios und des Fernsehens gab es immer, auch christliche, Kritik an neuen Medien und dem damit verbundenen Zeitgeist.“ Dass im Internet viel Ungutes auftauche, erkennen die Mitunterzeichner der Thesen an. Allerdings dort, „wo viel Mist läuft, wird eben auch viel Jesus gebraucht“. Wenn Christen im Internet und den sozialen Medien nicht präsent seien, würden andere Anbieter mit „vermeintlich erfüllenden Botschaften die Suche nach Sinn der Menschen erfüllen. Deswegen gehört Evangelisation unbedingt ins Internet.“

Am 15. Juni veranstaltet das Projekt „Zukunft Jugendarbeit“, das vom Institut für missionarischer Jugendarbeit verantwortet wird, ein Online-Diskussionsforum zu dem Thesenpapier.

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