Am Anfang der politischen Karriere von Sebastian Kurz stand eine gefloppte Kampagne. Im Wiener Wahlkampf der Jungen rief der damals 24-Jährige 2010 als Kandidat der Jungen Volkspartei (JVP) den Slogan „Schwarz macht geil“ und fuhr mit einem als „Geil-o-Mobil“ bezeichneten Hummer durch die Stadt. Zwar bescherte diese Kampagne der JVP die erhoffte mediale Aufmerksamkeit, allerdings fuhr die christdemokratische Mutterpartei ÖVP (Österreichische Volkspartei) damals eine historische Niederlage im traditionell sozialdemokratischen Wien ein.
Seine Jugendsünden hat Sebastian Kurz schnell hinter sich gelassen. Noch vor seinem 25. Geburtstag hat der damalige Parteichef Michael Spindelegger Kurz überraschenderweise zum Staatssekretär für Integration – einem neu geschaffenen Amt – ernannt. Beobachter belächelten ihn damals, die auflagenstarke Kronen-Zeitung witterte in seiner Ernennung gar einen PR-Gag.
Doch in seinen beiden Jahren als Integrationsstaatsekretär leistete Kurz einen Beitrag zu einer sachlicheren Integrationsdebatte, stellte zusätzliche Staatsgelder für Deutschkurse bereit, erleichterte die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen und forcierte die Einrichtung eines Studiums der Islamischen Theologie in Wien – um „einen Islam europäischer Prägung zu vermitteln“, wie es deren Vizerektor Heinz Faßmann formulierte.
Der Polit-Jungstar wird zum Chefdiplomaten
Internationales Aufsehen erregte Kurz, nachdem ihn die ÖVP nach den Parlamentswahlen 2013 zum Außenminister ernannt hat – im Alter von 27 Jahren. Auch auf dem rutschigen Parkett der internationalen Diplomatie erwarb sich der umtriebige Polit-Jungstar schnell den Respekt seiner Kollegen und erlangte durch sein junges Alter internationales Aufsehen. Ein politischer Coup von ihm war es 2016, gemeinsam mit den betroffenen südosteuropäischen Ländern die Flüchtlingsroute über den Balkan zu schließen – gegen den Willen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Grundsätzlich hat sich Kurz seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise immer stärker für eine harte Flüchtlingspolitik ausgesprochen. Im Interview mit der Zeitung Die Welt sagte er den vielzitierten Satz: „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“ Kurz‘ Vorschlag, Flüchtlinge analog zur Politik Australiens auf Inseln zu internieren, hielt sogar der rechtspopulistische Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer für „überzogen“.
Kurz bekennt sich als Christ und hat in seinem Amt als Außenminister mehr als einmal die weltweite Christenverfolgung verurteilt. 2016 nahm er beim österreichischen „Marsch für Jesus“ in Wien teil und dankte den christlichen Kirchen in einer Rede für ihr gesellschaftliches Engagement. Über seinen privaten Glauben ist wenig bekannt – Kurz versucht bewusst, sein Privatleben vom Licht der Öffentlichkeit fernzuhalten.
Über 100 Millionen #Christen werden weltweit diskriminiert, bedroht oder verfolgt. Müssen entschieden dagegen vorgehen! pic.twitter.com/E08jnJUms8
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) 12. Dezember 2016
Mit lockeren Umgangsformen zum Erfolg
Der Nachwuchspolitiker Dominik Kutschera hat Kurz als Praktikant im Wiener Außenministerium bei mehreren Terminen begleitet und ihn dabei als begnadeten Zuhörer wahrgenommen. Gerade mit jüngeren Menschen pflege Kurz einen fast schon kumpelhaften Umgang und biete ihnen gleich das „Du“ an, wie Kutschera im Gespräch mit pro erzählt. Dennoch schaffe er es, den nötigen Abstand zu bewahren. Auffallend ist, dass Kurz meist auf das Tragen einer Krawatte verzichtet. Mit seiner jovialen Art kommt er bei den Österreichern jedenfalls gut an. Seit Monaten liegt er in einem österreichweit erhobenen Politiker-Vertrauensindex vor allen anderen Kollegen.
Die christdemokratische ÖVP gilt als gespaltene Partei mit einer komplizierten Struktur, die zu raschen Obmannwechseln führt. Bereits nach dem Rücktritt von Michael Spindelegger vor drei Jahren war Kurz für dessen Nachfolge im Gespräch. Nachdem auch Spindeleggers Nachfolger Reinhold Mitterlehner vergangene Woche spontan seinen Rücktritt erklärt hat, galt Kurz mit seinen mittlerweile 30 Jahren als dessen logischer Nachfolger.
Kurz‘ letzter Coup: Als Bedingung für seine Obmannschaft forderte er weitreichende Freiheiten für sich selbst und damit einen Machtverzicht für die bisherige Führungsstruktur. Mit diesen Forderungen ist er am vergangenen Freitag in die Öffentlichkeit gegangen. Mangels Alternative zu Kurz haben sich die führenden Köpfe der österreichischen Christdemokraten auf einen weitgehenden Umbau ihrer Partei eingelassen. Dieser geht sogar so weit, dass die traditionsreiche ÖVP bei der vorgezogenen Parlamentswahl im kommenden Herbst nicht mehr selbst antreten, sondern eine neu zu gründende Wahlliste unterstützen wird. Diese nennt sich: „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“. (pro)
Von: rr