Wo man sonst „Großer Gott, wir loben dich“ oder Orgel-Vorspiele von Johann Sebastian Bach gewohnt ist, erklingen auf einmal bekannte Hits, die man aus dem Radio kennt. Alexander Uhl, ausgebildeter Kirchenmusiker, bringt das, was die Menschen im Alltag hören, auf die Orgel und in die Kirche. Und er begeistert damit viele Menschen. Nicht nur in die Gottesdienste kommen nun mehr Besucher, auch freut sich Uhl über hohe Klickzahlen in den Sozialen Medien.
Ein Ohrwurm nach dem anderen hat Uhl für die Orgel umgesetzt. „Da Be Dee (Blue)“ von „Eiffel 65“ ertönt laut und kräftig hinter den Kirchenmauern, aber auch „Rhythm is a Dancer“ von Snap. Dann bedient sich Uhl einiger bekannter Fernseh-Melodien. Die „Löwenzahn“-Titelmelodie kennt im wahrsten Sinne des Wortes jedes Kind, es folgt das Intro der „Gummibärenbande“, einer beliebten Zeichentrickserie aus den 90er Jahren.
Aber auch vor schmalzigen Schlager-Hits wie von Matthias Reim („Verdammt, ich lieb’ Dich“) und Wolfgang Petry („Wahnsinn“) macht der Organist nicht Halt. Ein „I like to Move it“ ist sicher nie für die Orgel gedacht gewesen, und doch wippt auch ein Gottesdienstbesucher unwillkürlich mit dem Fuß mit, wenn diese Töne erklingen.
„Das andere Orgel-Konzert“ nennt der 41-jährige Uhl seine Musik. Von einem „neuen Zugang zu den normalen Menschen“ spricht er im Interview mit PRO: von einem echten Türöffner.
Im April 2023 begann Uhl zunächst damit, Videos von seinen ungewöhnlichen Orgel-Stücken bei Tiktok hochzuladen. Das Interesse war riesig, wie sich herausstellte. Mittlerweile zählt seine Seite über 13 Millionen Aufrufe. Auch auf Instagram ist Uhl unter dem Namen @DerOrganist mittlerweile aktiv. Manch ein Titel erreicht schon nach wenigen Tagen 500.000 Aufrufe. Live-Streams seiner Konzerte locken über 50.000 Zuschauer an die Geräte. Tendenz stark steigend. „Bekannte Künstler wie Green Day, die Böhsen Onkelz oder der Schlager-Star Vincent Gross teilen meine Inhalte in ihren Storys“, freut sich Uhl.
„Musik für Menschen, die mit der Kirche gebrochen haben“
Viele begeisterte Zuschriften erreichen die Pfarrei, sowohl von Katholiken als auch von Protestanten, sagt Uhl. Mittlerweile kämen Menschen sogar von weit her in die Gottesdienste in Weißenburg südlich von Nürnberg, um dem ungewöhnlichen Orgelspiel zu lauschen. Die Termine dafür veröffentlicht die Gemeinde auf der Website dasorgelkonzert.de.
Seit 26 Jahren ist Uhl Organist für den Pfarrverband Pleinfeld im Bistum Eichstätt. Seine Ausbildung ist klassisch, schon mit elf Jahren spielte er Kirchenorgel, Klavier und Keyboard, in Eichstätt machte er eine C- und D-Ausbildung als Kirchenmusiker. Uhl lebt allerdings wie die meisten Organisten nicht vom Spielen allein, er machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und arbeitet für einen großen österreichischen Buntstifthersteller. Ihm sei die ganze Breite der klassischen Orgel-Literatur selbstverständlich vertraut, sagt Uhl, der verheiratet ist und drei Töchter hat.
Die Ehrfurcht vor dem Instrument und dem Ort, an dem es steht, habe er nie verloren. „Doch was wir jetzt neu anbieten, ist eine Botschaft an alle Menschen, die vielleicht mit der Kirche gebrochen haben.“ Das Schönste sei zu sehen, „dass man etwas Positives bei den Menschen erreicht“. Grob geschätzt seien 95 Prozent der Online-Kommentare positiv. „Wir holen die Leute in ihrem Alltag ab, mit der Musik, die sie kennen.“ Negative Kommentare gebe es zwar, das seien aber sehr wenige.
Früher nur im Geheimen, heute im Gottesdienst
Mit den modernen Titeln, gespielt auf der Kirchenorgel, könne man auch bei Menschen große Emotionen wecken, die sonst nicht in die Kirche kommen. Und die Neugier bei ihnen wächst, auch wieder auf die Kirche. Viele Junge werden durch die Musik aus den 80er und 90er Jahre angesprochen. „Doch auch die älteren klassischen Sonntags-Gottesdienstbesucher haben oft ein kleines Lächeln auf den Lippen“, sagt Uhl.
Nicht jede Kirchenorgel sei für diese Art Musik geschaffen, weiß Uhl, dessen Heilig-Kreuz-Kirche selbst gerade einmal von 1964 ist – ein moderner kreuzförmiger Bau aus Beton. Auch die moderne, kräftige Orgel passt zum modernen Repertoire.
Früher habe man diese Stücke im „geheimen“ Raum gespielt, sagt Uhl, aber immer mit etwas Angst, weil es für die Gemeindeleitung sehr herausfordernd war und teilweise noch ist. „Doch wir sollten uns öfter trauen, aus dem altbekannten Raster herauszuspringen“, sagt der Organist. Er wolle ja die bisherige Orgel-Musik auch nicht ablösen, sondern ergänzen. Eine Grenze hat sich Uhl bewusst nicht gesetzt.
Bibelimpulse und Orgelpop
Mit dem Pfarrer in Weißenburg, Konrad Bayerle, ist er seit Jahrzehnten eng befreundet. Der sei ein „110-prozentiger Unterstützer“ seiner Sache und lade mit ihm zu Konzerten und geistlichen Impulsen ein. Der Dekan von Weißenburg-Wemding ist begeistert von der Reichweite auch online. Auch das Altersspektrum überrasche ihn sehr: im Alter von 17 bis 75 Jahren seien die Menschen, die plötzliche wieder in seine Kirche kämen. In den gemeinsamen Konzerten gibt Bayerle zunächst einen biblischen Impuls. Die Orgel-Titel stimmt er stets mit dem Organisten ab.
Die beiden nehmen zudem monatlich gemeinsam ein Video auf, in dem es neben der ungewöhnlichen Orgelmusik Uhls ein geistliches Wort von Bayerle gibt. „Es geht mir immer darum: Die Themen der heutigen Zeit sind auch die Themen der Bibel.“ Die modernen Lieder von Uhl passten perfekt dazu.
Der Pastor erklärt weiter: „Es werden mit dieser Musik Menschen angesprochen, die kirchenfern sind.“ Er habe auf einmal viele Gespräche mit Gästen führen können – darunter viele unter 20 Jahre – die sich ihm öffneten. „Das waren teilweise Beicht-Gespräche.“ Bayerle ist überzeugt: „Ich glaube, dass sich da eine neue Verbindung zur Kirche bauen lässt.“
Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 5/2024 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.