Am Sonntagabend hat in Schwäbisch Gmünd der christliche Kongress „Gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“ begonnen. Die Veranstaltung soll unter Christen Bewusstsein schaffen für die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, unter denen Betroffene von sexueller Ausbeutung und modernem Sklavenhandel leiden.
„In Deutschland wie in allen Gesellschaften der Welt gelten Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und Folter als üble Verbrechen und als völlig verwerflich. Das Unglaubliche ist: Rühren Sie alle drei Verbrechen zusammen, kommt Zwangsprostitution dabei heraus und keinen stört es“, sagte der Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), Thomas Schirrmacher.
Er bezeichnete Zwangsprostitution und Menschenhandel in einem Vortrag als einen „Abgrund des Bösen“ und üble „Korruptionsschleuder“. An den Verbrechen würden viele verdienen. Zur Eröffnung des Kongresses sagte Schirrmacher: „Wir stehen heute hier, weil Menschen in Zwangsprostitution keine Fürsprecher haben. Menschen, die so gebrochen worden sind, dass sie für sich selbst nicht mehr sprechen können.“
Resolution soll Debatte entfachen
Um auf die schwierigen Verhältnisse vieler von Prostitution und moderner Sklaverei betroffener Menschen aufmerksam zu machen, haben die Veranstalter am Sonntag eine Resolution an den Deutschen Bundestag angekündigt. Mit der Resolution soll eine Debatte über käuflichen Sex angestoßen werden.
Veranstalter des Kongresses sind „Aktion Hoffnungsland“, „Gemeinsam gegen Menschenhandel“, „Mission Freedom“, „International Justice Mission“, das christliche Gästezentrum Schönblick und die Deutsche Evangelische Allianz. Rund 320 Teilnehmer sind bei der Veranstaltung mit Diskussionsrunden, Workshops und Berichten von Betroffenen und Hilfsorganisationen bis zum 1. Juni dabei.
„Sie glauben nicht, wie billig heute Sex-Sklaven sind, weil die Menschen so schnell ersetzt werden können“, sagte Schirrmacher. „Wir erleben in der Prostitution eine Verbilligung, die Zwangsprostitution förmlich herbei zwingt.“ Vom Handel mit Waren seien zwei Vermarktungsstrategien bekannt. Einmal verkaufe man ein Produkt selten, dafür möglichst teuer. Oder man biete ein Produkt massenweise zu niedrigem Preis an. Das gelte heute auch für den Bereich der Prostitution. Käuflicher Sex sei heute in Massen für jedermann zugänglich und erschwinglich. Der Theologe bezeichnete das als eine Art „Aldisierung“.
Bei kaum einer Verbrechensart ist nach Meinung von Schirrmacher heute das Risiko so gering wie beim Menschenhandel. „Wir müssen alle dabei helfen, dass das Risiko für Menschenhandel größer wird“, forderte der WEA-Generalsekretär. Eine mögliche Linderung der Not sieht er im „Nordischen Modell“. Das sei zwar kein Allheilmittel gegen Prostitution, entkriminalisiere jedoch die betroffenen Frauen und erlaube Hilfe zum Ausstieg. Im Kern ist das Modell ein Sexkaufverbot, bei dem nicht die Prostituierte, sondern der Sexkäufer bestraft wird. Schirrmacher über die Vorzüge dieses Modells: „Das, was so risikolos und billig ist, wird riskant und teuer.“
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt, dass 2016 weltweit rund 40 Millionen Menschen Opfer von moderner Sklaverei waren. Das United Nations Office on Drugs and Crime UNODC geht davon aus, dass 50 Prozent aller identifizierten Fälle von Menschenhandel auf kommerzielle sexuelle Ausbeutung abzielen. Weil Zahlen über Menschenhandel und Opfer sexueller Ausbeutung vorwiegend aus Schätzungen stammen, variieren sie stark. Die Dunkelziffern dürften beträchtlich sein. Als unbestritten gilt hingegen, dass der Menschenhandel weltweit der am schnellsten wachsende Kriminalitätsbereich ist.