Salafismus-Prävention wenig professionell

Radikal-islamische Salafisten machen ihre Ideologie vom Gottesstaat auch für Jugendliche in Deutschland attraktiv. Der Hessiche Rundfunk (hr) berichtet in der Hörfunksendung hr2-kultur darüber.
Von PRO
Salafisten-Prediger Pierre Vogel bei einer Kundgebung
In dem Beitrag „Aus dem Klassenzimmer in den Dschihad – Salafisten in Deutschland“ vom Montag geht der Radiosender der Frage nach, was den Salafismus ausmacht und warum er in Deutschland unter Jugendlichen Zulauf verzeichnen kann. Unter Salafisten gebe es verschiedene Ausprägungen und Stömungen, darunter auch gewaltbereite. Anlass für die Recherche von Redaktionsleiterin und Moderatorin Angela Fitsch war die vorübergehende Schließung eines Jugendhauses der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt in der vergangen Woche. Dort hatten Salafisten Besucher und Mitarbeiter, darunter eine Sozialarbeiterin, bedroht und beschimpft. Der Salafismus, eine radikale Strömung des Isalm, die den Gottesstaat als Ideal ansieht, wächst bundesweit. Derzeit leben nach Angaben des Verfassungsschutzes etwa 5.500 Salafisten unter den mehr als 4 Millionen Muslimen in Deutschland, berichtet der hr. Als gewaltbereit stuft der Verfassungschutz lediglich etwa 10 Prozent der Anhänger ein. Die stellen jedoch eine „akute Gefahr“ dar. Salafisten orientieren sich an der religiösen Praxis des Propheten Mohammed und den drei ersten Generationen der Muslime, die den Propheten noch direkt kannten. Sie strebten die „Reiningung des Isalm von unislamischen Einflüssen und Neuerungen an“, schildert der Beitrag.

Präkariat als Nährboden des Salafismus

Michael Kiefer, Postdoc am Zentrum für Interkulturelle Islamstudien an der Universtität Osnabrück, beschreibt in der Hörfunksendung die unterschiedlichen Strömungen des Salafismus. Die Wissenschaft unterscheide im Spektrum zwischen politisch nicht in Erscheinung tretenden Puristen auf der einen Seite der Skala, bis hin zum Dschihadisten auf der anderen Seite. Kiefer bezeichnete den Salafismus als „rückwärtsgewandte Utopie eines frühen, idealisierten Islams“. Bei Salafisten stoße das, was die allermeisten Muslime glauben, auf Ablehnung. In Deutschland haben nach Ansicht Kiefers Teile der „neo-salafistischen Mobilisierung“ lediglich „ornamentale“ Funktion, im Vordergrund stünden die „kruden, einfachen Botschaften“. Teilweise könne man erkennen, dass einige junge Salafisten aus schwierigen familiären Verhältnissen stammten und schlechte Bildungsabschlüsse hätten. Diese jungen Menschen in schwierigen Lebenssituationen seien für Botschaften von Menschen, die ihnen Kameradschaft, Freundschaft, Anerkennung und Zuwendung vermittelten, empfänglich. Viele Salafisten stammten aus „bildungsbenachteiligten Milieus“.

Internet spielt eine wichtige Rolle

In den sozialen Netzwerken hatten Salafisten die Schließung der Frankfurter Einrichtung gefeiert. Das Jugendamt der 700.000 Einwohner zählenden Stadt geht davon aus, dass in Frankfurt etwa 350 gewaltbereite Salafisten leben. Die Zahl der gewaltbereiten muslimischen Jugendlichen insgesamt steige. Ilona Klemens vom „Rat der Religionen“ in Frankfurt sieht Parallelen zwischen dem Rechtsradikalismus und dem Salafismus. „Am Rechtsextremismus kann man lernen, wie man mit dem Salafismus umgehen kann“, sagt sie in dem Radio-Beitrag. Der hr-Journalist Volker Siefert wertet die salafistische Szene als gefährlich. Binnen weniger Monate ließen sich junge Männ aus dem Rhein-Main-Gebiet für die Teilnahme am syrischen Bügerkrieg gewinnen, lernten mit Sprengstoff und Waffen umzugehen. Dem Beitrag zufolge balle sich die Szene radikaler Muslime im Rhein-Main-Gebiet, aber auch in Nordrhein-Wesfalen. Die Szenen und ihre Prediger seinen untereinadner vernetzt, stünden allerdings auch untereinander um Anerkennung und Zulauf in Konkurrenz. Das Internet sei die größte Verbreitungsebene der Salafisten, sagt Siefert. Entsprechende Foren würden von Hunderten von Teilnehmern besucht. „Dschihad-Reisen“ nennen dem Bericht nach deutsche Sicherheitsbehörden das Phänomen, dass sich vor allem junge Männer mit dem Motiv, ihren Glaubensbrüdern beistehen zu müssen, für den islamistisch motivierten Krieg anwerben und im Ausland ausbilden lassen. Die Verteidigung des eigenen Glaubens motiviere sie, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Die Rückkehrer sehen die Behörden als „potenzielle Zeitbomben“. Sie hätten militärisches Handwerk gelernt, seien zudem teilweise traumatisiert.

Prävention nicht auf dem letzten Stand

In dem hr-Beitrag konstatiert Kiefer, dass viele Präventions-Initiativen gegen Salafismus derzeit als „semiprofessionell“ zu bewerten seien. Kiefer sieht die Schulen als den „wichtigsten Präventionsort“. Dort bestehe am ehesten die Chance auf Menschen einzuwirken. Dazu sei es jedoch zunächst notwendig, die Lehrer entsprechend vorzubereiten und zu schulen. Grenzen sieht Kiefer in der Präventionsarbeit im Internet. Er hat in Zusammenarbeit mit dem Islamwissenschaftler Rauf Ceylan von der Universität Osnabrück Neo-Salafistische Grupperierungen in Deutschland untersucht. In dem Buch „Salafismus – Fundamentalistische Strömungen und Radikalisierungsprävention“ stellen die Autoren die politisch-theologischen Wurzeln des Salafismus vor und zeigen Möglichkeiten der Aufklärung. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/dschihad-auf-dem-schulhof-86679/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/dortmund-salafist-predigt-muslim-staat-79703/
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