Russland-Schelte und Live-Kündigung im Fernsehen

Zwei Moderatorinnen des staatlich finanzierten Fernsehsenders Russia Today America haben vor laufender Kamera die Politik Russlands gegenüber der Ukraine kritisiert. Eine von ihnen teilte live ihre Kündigung mit. In Deutschland ist so ein Fall nicht vorstellbar.
Von PRO
Die amerikanische Moderatorin Liz Wahl kündigte, als sie live die Nachrichten moderierte. So etwas ist in Deutschland nicht vorstellbar
Die Moderatorin Abby Martin hat vor der Kamera klar gesagt, was sie von der russischen Politik gegenüber der Ukraine hält: „Ich kann nicht genug betonen, wie sehr ich gegen jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten bin. Was Russland gemacht hat, ist falsch.“ Dass sie das gesagt hat, ist besonders brisant, weil Russia Today (RT) ein vom russischen Staat finanzierter Sender ist. Er will auf Russisch, Englisch, Spanisch und Arabisch international die russische Sicht des Weltgeschehens darstellen und ein Gegengewicht zu westlichen Medien bilden. Dabei muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, Kreml-treu zu berichten. Dass Martin bei RT arbeite, heiße nicht, dass sie journalistisch nicht unabhängig sei, sagte sie am Ende ihrer Sendung „Breaking the Set“. „Militärische Intervention ist nie die Lösung. Und ich stehe nicht hier, um militärische Aggression zu entschuldigen oder zu verteidigen.“ Ihr Herz sei bei den Menschen in der Ukraine, die eine Figur im Schachspiel der Weltmächte seien. „Sie sind die wahren Verlierer. Wir können nur auf den friedlichen Ausgang einer furchtbaren Situation hoffen.“ Das Statement ihrer Kollegin nahm Liz Wahl, eine weitere Moderatorin von RT, am Mittwoch ebenfalls zum Anlass, ihren Unmut über Russlands Vorgehen auf der Krim kundzutun – live. Bei einem Sender, der von der russischen Regierung finanziert werde und das Handeln Putins schönrede, könne sie nicht arbeiten. Sie schloss mit den Worten: „Nach dieser Nachrichtensendung kündige ich.“

ARD: „Das widerspricht journalistischem Selbstverständnis“

RT erklärte, dass Martin ihr persönliches Statement innerhalb ihrer eigenen Talkshow abgegeben habe. Damit habe sie zu den Zuschauern gesprochen, die regelmäßig seit Jahren die Meinung der Moderatorin zu aktuellen Ereignissen verfolgten. Martins Kritik an militärischen Interventionen der USA sei von „Mainstream-Medien“ bislang unbeachtet geblieben. Nur mit diesem einen Kommentar sei sie über Nacht zur Sensation geworden. Anders sehe die Sache bei Wahl aus: Wenn ein Journalist nicht mit der redaktionellen Linie übereinstimme, sei der normale Weg, das mit dem Chefredakteur zu klären und gegebenenfalls „wie ein Profi zu kündigen“. Wenn jedoch jemand eine „große öffentliche Show“ aus seinen persönlichen Entscheidungen mache, sei dies „nichts weiter als eine Selbst-Marketing-Nummer“. In deutschen Medien ist so etwas nicht denkbar. Auf pro-Anfrage erklärte ARD-Sprecher Martin Gartzke, die ARD berichte „frei von staatlicher Einflussnahme“. Insbesondere die Nachrichtensendungen seien das Ergebnis unabhängiger journalistischer Arbeit und redaktioneller Entscheidungen. Dabei stehe die Nachricht selbst im Mittelpunkt. Für persönliche politische Statements der Moderatoren seien die Nachrichtensendungen abgesehen vom Kommentar in den Tagesthemen deshalb „nicht der geeignete Ort“. Solche Bekundungen ließen sich auch nicht mit dem journalistischen Selbstverständnis der Moderatoren vereinbaren. Wie der Sender auf Live-Kündigungen und persönliche Stellungnahmen außerhalb von Kommentaren reagieren würde, sagte der Sprecher nicht. (pro)
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