Keiner könne der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung absprechen. Das sagte der religionspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Lars Castellucci, am Freitag im Rahmen der Tagung „Putins Krieg – eine Zeitenwende?“ in Berlin. Dieses Recht schließe ferner ein, andere Staaten um Hilfe zu bitten.
Castellucci betonte zwar die Bedeutung der Bergpredigt aus Matthäus 5,39: „Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ Zeitgleich gelte für ihn jedoch auch die Aussage des Reformators Martin Luther: „Hütet euch vor Krieg, es sei denn, dass ihr euch wehren und schützen müsst, und euer auferlegtes Amt euch Krieg zu führen zwingt. Alsdann so lasst es gehen und hauet drein, seid dann Männer und erweist euern Harnisch.“
Obwohl Castellucci nach eigener Aussage die Bibelstelle „ehrt und achtet“, könne er anderen von außen nicht vorschrieben, wie sie sich im Angesicht einer Aggression verhalten sollen.
Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Michael Roth (SPD), betonte das Recht auf Selbstverteidigung. Dennoch sagte Roth, der für die Lieferung schwerer Waffen ist, müsse das Ziel der SPD grundsätzlich „Frieden schaffen ohne Waffen“ sein.
Gerechter Friede
Das Recht auf Selbstverteidigung hob ebenfalls der Theologe Friedemann Stengel hervor. „Wir können andere nicht zur Waffenlosigkeit zwingen, auch wenn wir sie selbst praktizieren.“ Der Professor für Neuere Kirchengeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sieht zudem Ambivalenzen innerhalb der Bibel. Sowohl Pazifisten als auch Befürworter eines gerechten Krieges bezögen sich auf Bibeltexte.
Laut Stengel sei ein gerechter Krieg jedoch nicht zu rechtfertigen. Das liege nicht zuletzt an den unzähligen Opfern. Vielmehr machte der Theologe deutlich, dass ein „gerechter Friede“ angestrebt werden müsse. Vorrang müsse Friedensethik, Feindesliebe und das Tötungsverbot haben, sagte er.
4 Antworten
In der Bergpredigt spricht Jesus zu seinen Nachfolgern! Mit der Bergpredigt kann man aber kein Land regieren, denn dafür gelten Gesetze!
„Putins Krieg – eine Zeitenwende?“, der Titel der Tagung, verrät doch schon, dass es nicht um Lösungen geht, sondern um Rechtfertigung des eigenen Handelns! Krieg ist wohl immer Versagen auf beiden Seiten.
Und „Frieden schaffen ohne Waffen“ ist m. E. Schwärmerei. Den wird es erst nach dieser Zeit geben, wusste schon der Prophet Jesaja: Kein Volk wird mehr das andere angreifen; niemand lernt mehr, Krieg zu führen (Jes.2)
Viel dringender brauchen es einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Ich habe mir für mein „Kalenderblatt“ zum 25. Jahrestag der Unterzeichnung des Sicherheitspaktes zwischen NATO und Russland die Entwicklung nochmal genau angeschaut. Ich habe die Hoffnung, dass dort der Schlüssel für die Lösung des Konflikts liegt: http://www.aref.de/kalenderblatt/2022/21_nato-russland_grundakte_1997.php
Die Bergpredigt ist keine Handlungsanleitung für Regierungen dieser Welt, sondern Grundlage für die Nachfolge Jesu. Wenn Regierungen ihr Recht auf gewaltsame Verteidigung wahrnehmen, ist das zu akzeptieren, aber als Christ kann ich mich nicht daran beteiligen, weil für mich die Grundsätze der Bergpredigt Geltung haben.
Der evangelische Militärbischof Bernhard Felmberg hat Anfang dieser Woche die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dazu aufgefordert, sich von Idealvorstellungen in der Friedensethik zu verabschieden. „Manche idealistischen Vorstellungen müssen sich an der Realität dessen, was jetzt als Aggressionskrieg geschieht, messen lassen“, sagte er am Montag in Berlin mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Wenn der Eindruck entstehe, jeder Krieg könne allein mit zivilen Mitteln gelöst werden, „ist das zu ideal gedacht“, sagte Felmberg. Dieser Aussage stimme ich zu.
In dieser Diskussion sollten sich Christen fragen, ob das Notwehr- und Nothilferecht aus unserem Rechtssystem nicht auch für sie relevant ist.
Kenne Familien aus der Ukraine, bin mit Ihnen befreundet. Sie sagen schon immer, wir wollen in unserem Staat demokratisch leben.