Der russische Präsident Wladimir Putin hat am 6. Juli ein Paket von Anti-Terror-Gesetzen unterzeichnet. Diese treffen in hohem Maße auch Christen und religiöse Gruppen. Demnächst ist es etwa verboten, außerhalb einer Kirche zu evangelisieren.
In Russland gelten ab 20. Juli schärfere Gesetze für Christen und andere religiöse Gruppen
Das Gesetzespaket, das der russische Präsident Vladimir Putin Anfang Juli unterzeichnete, soll dem Kampf gegen Terrorismus dienen. Zuvor hatte es das Parlament (Duma) und der Föderationsrat verabschiedet. Dazu gehört auch ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, demzufolge der Staat Telefonate, E-Mails oder Chats für sechs Monate speichern darf, die Verbindungsdaten drei Jahre. Edward Snowden, der ehemalige Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA, kritisierte vorab das russische „Big-Brother-Gesetz“ als eine „nicht umsetzbare, nicht zu rechtfertigende Verletzung der Rechte“.
Im Paket enthalten ist auch ein Gesetz, das die Religionsausübung einschränkt. Das Gesetz verbietet das Evangelisieren außerhalb von Kirchengebäuden. Zudem benötigt jeder, der an einer religiösen Veranstaltung teilnimmt oder öffentlich den Glauben bezeugen möchte, eine Erlaubnis, die er über eine registrierte religiöse Organisation bekommt. Das Verbot, über den Glauben zu sprechen, gilt auf privaten Grundstücken und im Internet. Ausländer, die gegen das Gesetz verstoßen, sollen ausgewiesen werden. Das Gesetz wird voraussichtlich am 20. Juli in Kraft treten.
Russisch-Orthodoxe Kirche als „Bollwerk des russischen Nationalismus“
Wie Christianity Today anmerkt, dürften dann Christen nicht einmal mehr Freunde per E-Mail zu Gottesdiensten einladen oder in ihren eigenen Wohnungen vom Glauben erzählen. Die Situation für religiöse Menschen in Russland werde durch das Gesetz sehr viel komplizierter, und viele Gläubige würden benachteiligt wegen ihres Glaubens, schrieb Oleg Goncharov, Sprecher der Siebenten-Tags-Adventisten im Euro-Asiatischen Raum, in einem offenen Brief.
Irina Yarovaya, Anwältin von der Partei „Einiges Russland“, sieht in dem Gesetz den Versuch, den christlichen Kirchen außerhalb der Russisch-Orthodoxen Kirche zu schaden. David Aikman, Professor für Geschichte und Russland-Experte, sagte gegenüber Christianity Today: „Die Russisch-Orthodoxe Kirche ist Teil eines Bollwerks des russischen Nationalismus, den Wladimir Putin aufgebaut hat. Alles, was das untergräbt, ist eine Gefahr, seien es nun protestantische Missionare oder jemand anderes.“
Sergei Ryakhovsky, Ko-Vorsitzender im Beirat der Protestantischen Kirchen von Russland, und andere christliche Leiter schrieben einen offenen Brief an Putin. Darin heißt es: „Die Verpflichtung für jeden Gläubigen, eine besondere Erlaubnis zu haben, um seinen Glauben mitzuteilen oder religiöse Literatur außerhalb der religiösen Stätten zu verteilen, ist nicht nur absurd, sondern auch beleidigend, und es schafft die Grundlage für eine massenhafte Verfolgung von Gläubigen.“ Das Gesetz erinnere ihn an die Zeiten der Sowjetunion. Weiter heißt es: „Das Gesetz wird uns nicht davon abhalten, zu beten und den Glauben zu teilen.“
„Gesetz mit religiösen Gruppen nicht abgesprochen“
Von den rund 142 Millionen Russen gehören die meisten Gläubigen der Russisch-Orthodoxen Kirche an, genaue Zahlen gibt es aber nicht, da die Mitglieder von Kirchen und Gemeinden in Russland nicht registriert werden und keine Kirchensteuer erhoben wird. Rund zwei Prozent der Bevölkerung gehören den anderen christlichen Kirchen an.
Erzbischof Dietrich Brauer von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland, der Ukraine, in Kasachstan und Mittelasien bemängelt gegenüber pro, „dass dieses Gesetz mit den religiösen Organisationen gar nicht beraten wurde“. Seine Einschätzung lautet: „Alles wird von der praktischen Anwendung abhängen, denn in dem neuen Gesetz steckt viel Potenzial für bürokratischen Missbrauch. Ich weiß nicht, wie solche Initiativen den Extremismus bekämpfen wollen. Aber unseren kleinen Gemeinden, deren Kirchengebäude in der sowjetischen Zeit zerstört oder weggenommen wurden, können sie neue Probleme bereiten.“
Die Europäische Evangelische Allianz zeigt sich besorgt über das Gesetz, denn es schränke die Religionsfreiheit stark ein. Die Mitglieder beklagen, dass Gespräche über den Glauben nun nur noch in registrierten religiösen Gebäuden stattfinden können. In einer Erklärung ruft die Organisation Christen in Europa zum Gebet auf. „Lasst uns beten, dass das neue Gesetz die Christen auf neue Art miteinander vereint. Lasst uns beten, dass die russischen Behörden erkennen, dass das neue Gesetz die Freiheit der Menschen unnötig einschränkt.“ (pro)
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