Theologisch betrachtet sei ein Rücktritt keinesfalls immer der richtige Weg, mit den eigenen Fehlern umzugehen, schreibt Bedford-Strohm in einem Kommentar in der "Evangelischen Zeitung". "Der durch die biblischen Geschichten immer wieder geschulte selbstkritische Blick auf den eigenen Balken im Auge und die kontinuierliche Selbstprüfung im Hinblick auf die selbst vertretenen moralischen Maßstäbe gehören zum Markenzeichen derjenigen, die für die Kirche in der Öffentlichkeit stehen", schreibt er. Ein Rücktritt könne aber nur dann die richtige Konsequenz sein, wenn die moralische Glaubwürdigkeit unrettbar verloren sei. Heinrich Bedford-Strohm ist Professor für Systematische Theologie und theologische Gegenwartsfragen an der Universität Bamberg.
Wer Fehler macht und bereut, leitet besser
Im Falle des katholischen Bischofs Walter Mixa etwa seien erhebliche Zweifel an der charakterlichen Integrität des Geistlichen und damit der Kirche entstanden. "Wenn aber durch das Erschrecken bei allen Beteiligten und einen transparenten Umgang mit den Fehlern Anlass zu der Erwartung besteht, dass die Amtsträgerin in der Zukunft mit umso größerer Sorgfalt hinsieht, dann ist der Rücktritt keineswegs gefordert. Vieles spricht dafür, dass diese Beschreibung für den Rücktritt von Bischöfin Jepsen zutrifft", schreibt der Theologe weiter.
In die Entscheidung, ob ein Rücktritt sinnvoll ist, müssten auch die Fragen einfließen: "Was geht durch einen solchen Rücktritt verloren? Ist der Anlass für den Rücktritt so gravierend, dass er mehr wiegt als alle durch diesen Rücktritt verlorenen Möglichkeiten, segensreich zu wirken?" Häufig seien es gerade die moralisch sensiblen Amtsträger(innen), die ihr Amt aufgäben. "Übernehmen dann irgendwann nur noch diejenigen kirchliche Leitungsämter, die die nötige Dickfelligkeit haben? Und kann die klare Anerkenntnis von Versäumnissen und die ehrliche Entschuldigung bei denen, die unter diesen Versäumnissen zu leiden, manchmal schlimm zu leiden hatten, nicht vielleicht eine genauso kraftvolle Möglichkeit sein? Kann jemand, der Fehler gemacht hat und aus ihnen gelernt hat, nicht vielleicht umso besser leiten?", fragt Bedford-Strohm.
Nach zwei Rücktritten, die viele Menschen traurig gemacht hätten, sei es an der Zeit, umzudenken. "Die enge Verbindung zwischen Verantwortung übernehmen und Zurücktreten muss aufgebrochen werden. Auch der Verbleib im Amt kann angesichts der segensreichen Wirkungsmöglichkeiten, die damit erhalten bleiben, eine verantwortliche Entscheidung sein. Mit Kleben an dem eigenen Sessel hat das nichts zu tun."
Die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen war am Freitag zurückgetreten. Grund waren Medienberichten zufolge die öffentlichen Vorwürfe, sie sei Hinweisen auf die Missbräuche durch zwei Pastoren in den 70er und 80er Jahren nicht energisch genug nachgegangen. Die beiden Geistlichen sind mittlerweile pensioniert. (pro)