Der Brite Richard Dawkins ("Der Gotteswahn") und der in England geborene Amerikaner Christopher Hitchens ("Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt vergiftet") plädieren dafür, dass der Papst vor Gericht kommen sollte. Falls das Kirchenoberhaupt bei seinem geplanten Besuch in England vom 16. bis 19. September britischen Boden betritt, sollte er gefangen genommen werden. Der Papst plant für diese Zeit Besuche in London, Coventry und Glasgow.
Die "New York Times" hatte im März berichtet, dass der damalige Kardinal Joseph Ratzinger in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan in den 80er Jahren Fälle von sexuellen Missbrauch vertuschen wollte. Dies belegten Dokumente aus den USA. Der Priester Stephen Kiesle hatte Ende der 70er Jahre in Kalifornien sechs Kinder zwischen elf und 13 Jahren missbraucht. Der Bischof von Oakland, John Cummins, bat den Vatikan erstmals 1981, den Geistlichen aus dem Kirchendienst zu entlassen. Nach dem Zeitungsbericht wurde ihm erst vier Jahre später in einem von Ratzinger unterzeichneten Schreiben mitgeteilt, dass in dem Fall mehr Zeit benötigt werde. Der Fall Kiesle sei "gravierend", heiße es dort, jedoch müsse in Rechnung gestellt werden, welche Auswirkungen eine Entlassung auf das "Wohl der universellen Kirche" hätte. Außerdem habe er auf das noch junge Alter des Priesters verwiesen. Kiesle war zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt. Zwei Jahre später wurde Kiesle schließlich aus dem Kirchendienst entlassen.
Papst ist nicht rechtsfrei
Der stellvertretende Pressesprecher des Vatikan, Ciro Benedettini, dementiert diese Darstellung. Der heutige Papst habe damals lediglich darum gebeten, "die Sache gründlicher zu untersuchen zum Wohl aller Beteiligten". Wie die "Rheinische Post" unterdessen berichtet, erklärte ein Anwalt des Vatikan in den USA, dass damals allein der Ortsbischof für die Ahndung der sexuellen Missbrauchsfälle zuständig war. Erst seit 2001 sei die Glaubenskongregation auf Initiative des damaligen Präfekten Ratzinger mit solchen Fällen befasst.
Der bekennende Atheist Hitchens argumentierte gegenüber der "Sunday Times": "Dieser Mann steht nicht außerhalb der Gesetze. Das institutionalisierte Verschweigen der Vergewaltigung von Kindern ist ein Verbrechen nach jedem Gesetz. (…) Das institutionalisierte Verschweigen von Kinderschändung ist ein Verbrechen unter jedem Rechtssystem und ruft nicht nach privaten Zeremonien der Reue oder nach kirchenamtlichen Zahlungen an die Opfer, sondern verlangt Gerechtigkeit und Bestrafung."
Dawkins sagte gegenüber derselben Zeitung: "Dies ist der Mann, dessen erster Instinkt, wenn Priester mit heruntergelassenen Hosen ertappt werden, dahin ging, den Skandal zu vertuschen und die jungen Opfer zum Schweigen zu verdonnern." Hitchens und Dawkins glauben nicht, dass der Papst diplomatische Immunität beanspruchen könne, da der Vatikan, auch wenn Benedikts Visite als "Staatsbesuch" geführt wird, von den Vereinten Nationen nicht als Staatsoberhaupt anerkannt werde.
Beide haben den Anwalt Geoffrey Robinson sowie dessen Kollegen Mark Stephens eingeschaltet, die anerkannte Menschenrechtsexperten sind. Sie sollen den Fall gegen den Papst vorbereiten und ihn bei der Staatsanwaltschaft, dem Crown Prosecution Service, registrieren lassen. (pro)