Die Repräsentanten christlicher Kirchen fühlen sich von Europa oft im Stich gelassen, wenn es darum geht, Christenverfolgung zu bekämpfen. Dies konstatiert der Menschenrechtler Heiner Bielefeldt im Interview mit „Christ und Welt“. Liberale und Linke würden den Einsatz für Religionsfreiheit „fast schon instinkthaft“ bremsen, weil er aus dem konservativen Spektrum komme.
Bielefeldt berichtet aus eigenen Erfahrungen und Gesprächen, wie massiv Untergrundgemeinden in Vietnam vom Staat unterdrückt werden. In Indien agiere der Staat nicht nur gegen Christen, sondern mobilisiere auch gegen muslimische Gläubige. Nach ihrer Bekehrung und Missionstätigkeit seien evangelikale Christen im Iran inhaftiert oder zum Tode verurteilt worden.
Die Menschen scheuten sich aber davor, den Begriff Christenverfolgung zu verwenden. Sie hätten Angst sich dem Vorwurf auszusetzen, „eine ideologische Klientelpolitik zu betreiben“. Liberalen falle es schwer, das über Jahrhunderte dominante Christentum jetzt als Verfolgte wahrzunehmen. Bielefeldt wirbt aber dafür, Christenverfolgung in öffentlichen Debatten zu thematisieren.
„Zahlen sagen nichts über die Qualität der Verfolgung aus“
Neben Gebet und Spenden für Menschenrechtsorganisationen seien auch Partnerschaften mit Gemeinden sinnvoll, die unter schwierigen politischen Verhältnissen litten. Religionsfreiheit sei ein Menschenrecht und müsse dazu führen, Individuen in ihrer Würde zu schützen. Dazu gehöre auch das Recht, sich nicht zu einem Glauben zu bekennen.
Bielefeldt warnt davor, Christenverfolgung in Zahlen und Quoten zu messen. Zahlen entwickelten zwar eine „eigene Magie“, sagten aber nichts über die „Qualität der Verfolgung“ aus: „Ich würde hier fast schon von einem Fetisch sprechen“, findet Bielefeldt. Er erklärt, dass protestantische Freikirchen vor allem von Verletzungen ihrer Religionsfreiheit betroffen seien.
Freikirchen würden oft als Sekten und Handlanger des US-Imperialismus wahrgenommen. Ihre offensive Missionstätigkeit werde ihnen als aggressiver Akt unterstellt, erklärt Bielefeldt. Bei Bekehrungen seien Katholiken deutlich zurückhaltender. Zur Religionsfreiheit gehört aber eben auch die Freiheit, zum Glaubenswechsel einzuladen.
Heiner Bielefeldt ist Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Bis 2016 hatte er das Amt des UN-Sonderberichterstatters für Religions- und Weltanschauungsfreiheit inne.