Bei einem Gespräch im Fahrradladen kommt der Ladenbesitzer mit seinem Kunden auf Religion zu sprechen. Dabei sagt er, dass Christen glaubten, Jesus sei der entscheidende und letzte Prophet. Darüber entflammt ein Streit, der immer mehr Menschen aus der Nachbarschaft anzieht. Diese Behauptung sei respektlos gegenüber dem islamischen Propheten Mohammed, der 600 Jahre nach Jesus lebte, lautet der Vorwurf gegen den 28-jährigen Fahrradhändler Ashfaq Masih. Doch der bleibt bei seiner Position. Als die Polizei verständigt wird, nimmt sie den Mann fest. Seine Familie flieht. Der Anwalt will eine Freilassung auf Kaution erwirken.
Das soll sich laut der christlichen Menschenrechtsorganisation „World Watch Monitor“ vor wenigen Tagen in Pakistan zugetragen haben. In der islamischen Republik herrscht offiziell Religionsfreiheit, solange sich die Religionsgemeinschaften an Gesetz, öffentliche – islamische – Ordnung und Moral halten. Doch immer wieder gibt es Berichte darüber, dass Christen verhaftet oder gar gelyncht werden. Auf der Rangliste der Länder, in denen Christen am stärksten verfolgt werden, steht laut der Organisation „Open Doors“ Pakistan an vierter Stelle.
Christen haben es auf dem Land schwerer
Der christliche pakistanische Journalist Asif Aqeel sagte im Gespräch mit pro: „Ich sehe überall Religionsfreiheit. Wir als Christen halten Kampagnen und Gottesdienste auf offener Straße ab.“ Doch das sei nur eine Seite des Bildes. Vor allem in abgelegenen Dörfern sei es für Christen schwieriger als in Städten. Dort könne es sein, dass sie gar keinen Gottesdienste feiern könnten, weil das die Muslime des Ortes beleidigen würde.
Solche Erfahrungen machten auch andere Religionsgruppen. Hindus könnten in der Provinz Sindh im Südosten freier ihre religiösen Treffen durchführen, während das nördlich davon in der Region Punjab schwierig sei. Ahmadis, Angehörige einer islamischen Sekte, dürften ihre Versammlungsorte nicht Moschee nennen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ dürfen Ahmadis bei Strafe ihren Glauben gar nicht ausüben. Außerdem sei es gängig, hinduistische Mädchen mit muslimischen Männern zu verheiraten.
„Es kommt darauf an, wen man fragt und in welchem Teil des Landes man die Menschen fragt“, erklärt Aqeel, der sich vor allem mit religiösen Minderheiten beschäftigt. „Ich selbst genieße Religionsfreiheit als Journalist und kann mich oft äußern. Aber dieselbe Freiheit können Christen, die in einem abgelegenen Dorf wohnen, nicht genießen.“
Blasphemievorwurf vor allem gegen Christen
Das Land, das zwischen dem Iran, Afghanistan, China und Indien liegt, ist zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland. Von seinen geschätzt rund 200 Millionen Einwohnern sind 2,8 Millionen Christen, 96 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Der Islam ist Staatsreligion. Und wer etwas gegen den Islam sagt, kann schlimmstenfalls mit dem Tod bestraft werden. Die meisten Christen in den Städten leben und arbeiten zusammen mit Muslimen, sagt Aqeel. „Aber wenn sie mit religiösen Fragen konfrontiert werden, schweigen sie, weil sie Vergeltung befürchten.“
Das Blasphemie-Gesetz werde durchaus auch missbräuchlich angewandt – gegen Muslime genauso wie gegen Angehörige einer anderen Religion. Gemessen am Bevölkerungsanteil seien Christen jedoch am häufigsten von dem Vorwurf betroffen, schreibt der Präsident des katholischen Hilfswerkes „missio“, Klaus Krämer, in einem Länderbericht über Pakistan. „Das Perfide am Blasphemiegesetz ist, dass in zahlreichen Fällen, in denen diese Vorschriften angewandt worden sind, überhaupt keine entsprechenden konkreten Handlungen gegeben waren. Es ist das allgemeine, von islamischen Fundamentalisten bestimmte Klima, das die leichtfertige und willkürliche Anwendung des Blasphemiegesetzes so leicht macht.“
„In Pakistan bedeutet Religionsfreiheit Freiheit für eine einzige islamische Konfession. Alle anderen leiden“, sagt der Journalist Aqeel. Religion und Politik seien in Pakistan miteinander vermischt, die Politik habe die Religion in die Öffentlichkeit gebracht – jedoch mit der Folge, dass Minderheiten mit einem anderen Glauben Probleme haben, diesen zu leben und öffentlich zu zeigen. Religionsfreiheit, die allen Religionen die gleichen Rechte garantiert? „In meinem Land läuft das nicht so.“ (pro)
Von: jst