Religionen sind eine "wertvolle Ressource für die Bürgergesellschaft", findet Thomas de Maizière. Sie setzten den Ansprüchen von Staat und Wirtschaft etwas entgegen – zum Beispiel den Einsatz für den Fortbestand der Sonntagsruhe oder, historisch, den christlichen Widerstand gegen die DDR-Führung. "Wenn alle Kirchen gemeinsam und fundamental ihre Stimme erheben", so de Maizière, "hat dies größten Wert in der Politik." Auch die diakonische Arbeit der Glaubensgemeinschaften müsse vom Staat geschätzt werden. Zu dem Vortrag mit anschließender Diskussion hatte das Kirchenrechtliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eingeladen.
Verhältnis von Kirche und Staat
Religion und Politik verwiesen aufeinander – der Staat achte die spirituelle Autorität der Religion, bewahre aber seine Autorität über das gesellschaftliche Zusammenleben. Der Glaube an eine höhere Autorität sei, so der Innenminister, "nach meiner Erfahrung das beste Mittel gegen Übermaß". Das "religiöse Gewissen" habe der Staat zu achten, allerdings hätten Glaubensgemeinschaften kein "Selbstdefinitionsmonopol" für ihr "religiöses Gewissen". Beispielsweise sei es nicht möglich, die Steuern zu verweigern, weil die Religion es verbiete. Eine Kirche könne auch nicht erlauben, dass jemand vier Frauen gleichzeitig heirate – "da hört bei uns der Spaß auf".
Keine "Sola Scriptura Koran"
Thomas de Maizière bezeichnete den Umgang mit dem Islam als große Herausforderung. Er äußerte den Wunsch nach einem aufgeklärten Islam – allerdings sei eine Erneuerung hier schwierig. "Gerade nicht" wolle man eine Reformation, die zum Prinzip "sola scriptura Koran" führt, also der Rückbesinnung auf die wörtliche Schrift. De Maizière lobte die Islamkonferenz als "großartig", sie trage zur Verständigung auch unter den Muslimen bei. Er wünsche sich "hunderte Islamkonferenzen" in ganz Deutschland, so der Minister. Eines seiner Ziele sei zudem "möglichst schnell möglichst viel Islamunterricht an deutschen Schulen." Wünschenswert sei auch die Ausbildung von Imamen an deutschen Hochschulen. Deutschland dürfe nichts unversucht lassen, um den Islam zu integrieren und eine Modernisierung anzustoßen: "Wer, wenn nicht wir, als Kinder der Aufklärung, in der Mitte Europas, kann dazu beitragen?" (pro)