Durch die Mitgliedschaft in Gemeinden und den Kontakt zu anderen Christen fördere der Glaube soziale Beziehungen und trage damit zum psychischen Wohlbefinden bei, sagte Sebastian Murken im Interview „Macht Glaube gesund?“ mit Zeit-Beilage Christ&Welt. Bei körperlichen oder psychischen Erkrankungen könne dieses Wohlbefinden die Heilung unterstützen. Murken ist promovierter Psychologe, Pyschotherapeut und Honorarprofessor für Religionswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Seit 2009 ist er zudem leitender Psychologe der Psychosomatischen Fachklinik St. Franziska-Stift in Bad Kreuznach. Auch das Gebet könne heilsam sein. „Es hat einen gewissen psychotherapeutischen Effekt, wenn ich mir die Dinge von der Seele rede“, erklärte der Psychotherapeut. Zudem trage Gebet zur Ego-Deflation bei. Das bedeute, das eigene Ich nicht als Zentrum des Universums zu sehen und nicht alles auf sich selbst zu beziehen: „Sich selbst zu relativieren hat eine heilsame Wirkung; das geschieht ihm Gebet.“ Außerdem ermögliche das Beten, sich selbst zu reflektieren, und führe durch den meditativen Aspekt zur Entspannung.
Im gemeinsamen Gebet mit anderen „wird die menschliche Beziehung in Perspektive gesetzt zu einem Dritten, Transhumanen oder Transzendenten“. In den Beziehungen zu anderen Menschen entlaste das von der Verantwortung, alles miteinander regeln können zu müssen.
Eine Gefahr sieht Murken darin, wenn die religiöse Gemeinschaft der Entfaltung des Einzelnen entgegensteht. „Wenn meine soziale Gemeinschaft mich kontrolliert – etwa wenn ich nicht zum Gottesdienst erscheine. Auch ein strafendes, rächendes Gottesbild kann in diese Richtung wirken“, erklärt er.
Auch bei körperlichen Krankheiten könne der Glaube helfen. Der Psychologe machte aber die Erfahrung, dass bei Menschen mit chronischen Schmerzen der Glaube den Heilungsprozess weniger gut unterstützt als es beispielsweise bei Patienten mit Brustkrebs der Fall sei. Bei Krebspatienten sind die Heilungschancen oft relativ hoch und die Krise könne eher als Chance begriffen werden als bei Menschen, die unter nicht aufhörenden Schmerzen litten. Diese Patienten haderten oft mit Gott oder fragten sich, „warum er mich nicht damit in Ruhe lässt.“ Murken ist ebenfalls überzeugt, dass Glaube zuerst einmal auch bei einer psychischen Erkrankung wie einer Depression nicht helfe. „Auch Gott wird dann depressiv eingefärbt“, begründet er das.