Wie der „Spiegel“ berichtet, hat der als Rechtsextremist bekannte Sven Liebich im vergangenen Jahr seinen Geschlechtseintrag auf einem sächsischen Amt ändern lassen. Seitdem heiße er offiziell Marla Svenja und sei als Frau identifiziert.
Liebich ist aktenbekannt. Sein alter Name taucht laut „Spiegel“ mehrfach in Berichten des sächsischen Verfassungsschutzes auf. Zudem verurteilte das Amtsgericht Halle (Saale) ihn Medienberichten zufolge im Juli 2023 zu einer eineinhalbjährige Freiheitsstrafe ohne Bewährung, unter anderem wegen Volksverhetzung und wegen übler Nachrede in je mehreren Fällen. Das Urteil ist wegen einer Revision noch nicht rechtskräftig. Auch in Leipzig laufe ein Berufungsverfahren wegen eines Angriffs auf einen Fotografen.
Einst queerkritisch, nun selbst queer?
Liebich ist nicht nur als Neonazi bekannt, er hetzte in der Vergangenheit offenbar auch gegen queere Menschen und kritisierte die Liberalisierung der Gesellschaft bei diesem Thema. Im März 2024 habe er in Halle erklärt, Kinder würden in Schulen indoktriniert und würden dann etwa zum „Christopher Street Day“ rennen „und nicht wissen, welches Geschlecht sie gerade haben“. Der „Spiegel“ zitiert Liebig mit den Worten „Wenn man einen Mann als Mann bezeichnet, obwohl er sich selbst als Frau sieht, dann kriegt man ’ne Anzeige.“ 2022 soll er Teilnehmer einer CSD-Veranstaltung als „Parasiten der Gesellschaft“ bezeichnet haben.
Offenbar plant Liebich selbst nun genau das. Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, will Liebich Unterlassungsklagen gegen Menschen initiieren, die ihn „zwangsouten“, also etwa mit seinem alten Geschlecht oder Namen ansprechen.
Tatsächlich wird sich zeigen, ob er damit Erfolg haben kann. Denn das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht ein solches Vorgehen in bestimmten Fällen. Es trat im November in Kraft und soll vor allem den Geschlechtswechsel bei Behörden für transsexuelle Menschen vereinfachen. Eine einfache Erklärung beim Standesamt reicht aus, nach drei Monaten ist die Personenstandsänderung gültig. Das Gesetz ermöglicht auch Bußgelder, wenn jemand die Änderung des Geschlechtseintrags einer Person gegen ihren Willen offenbart und die betroffene Person dadurch absichtlich schädigt.
Selbstbestimmungsgesetz in der Kritik
Ein Artikel wie dieser ist somit nur möglich, weil das Gesetz eine Ausnahme vorsieht, sollte „ein besonderes öffentliches Interesse“ die Offenbarung erfordern. Ansonsten ist die Berichterstattung über einen derartigen Vorgang zumindest heikel.
Liebich selbst erklärte derweil auf Nachfrage der „Mitteldeutschen Zeitung“, er „habe Angst vor Diskriminierung“. Bei einem direkten Kontakt stellten die Journalisten allerdings fest, dass sich Liebichs Äußeres nicht verändert habe, er trete weiterhin eindeutig männlich auf.
Bereits bevor das Selbstbestimmungsgesetz im vergangenen Jahr in Kraft trat, äußerte unter anderem die Opposition im Deutschen Bundestag harsche Kritik daran. Es wurde die Sorge laut, ein einfacher Geschlechtswechsel könne zur Verschleierung der Identität bei Straftaten genutzt werden.
In den Frauenknast?
Trifft das in Liebichs Fall zu? Wohl kaum, denn seine Identität ist längst bekannt. Spannend könnte aber die Frage werden, in welches Gefängnis er im Falle einer Verurteilung kommt. Frauen- oder Männeranstalt?
Wie verschiedene Medien bereits bei Behörden erfragten, gibt es dabei keinen Automatismus. Zwar werden Männer und Frauen grundsätzlich getrennt untergebracht. Dennoch würde es im Falle Liebich wohl ein vorhergehendes Gespräch zur genaueren Erörterung der Motive geben, erklärte ein Sprecher des Justizministeriums Sachsen-Anhalt gegenüber der „Bild“-Zeitung.
Öffentliches Interesse nutzt Kritikern
Auch dahingehend waren bereits Monate vor Gesetzeserlass Bedenken laut geworden. Die Regelung könnte Schutzräume für Frauen gefährden, wenn Männer allzu leicht ihr Geschlecht wechseln und dann etwa in Frauenhäuser oder Frauensaunen hineinkommen könnten. Tatsächlich sieht das Selbstbestimmungsgesetz ein „Hausrecht“ vor, das es etwa Sauna- oder Fitnessstudiobetreibern erlaubt, selbst zu entscheiden, wer wo zugelassen ist. Im Rechtsverkehr allerdings sollen ausdrücklich die Personenstandsdaten gelten.
Der Fall Liebich wirft also zahlreiche Fragen auf, nicht zuletzt die nach Schlupflöchern im Selbstbestimmungsgesetz. Doch auch die Motivation des Rechtsextremisten selbst darf hinterfragt werden. Geht es ihm darum, Aufmerksamkeit für Gesetzeslücken zu schaffen? Dann läge ein klarer Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes vor. Was die Probleme, die das Gesetz zumindest schaffen kann, freilich nicht verschwinden lässt.