„Querdenken“ ist nicht mit einer religiösen Gruppierung zu vergleichen. Das sagte der Beauftragte der Landeskirche Bayern für Sekten- und Weltanschauungsfragen, Matthias Pöhlmann, in einem Pressegespräch am Montag. Grund dafür sei die weltanschauliche Diversität innerhalb der Bewegung. Grundsätzlich müsse zwischen Initiatoren und Demonstrierenden unterschieden werden. Vor allem bei Initiatoren und Rednern seien unterschiedliche weltanschauliche Orientierungen zu beobachten. So stehe „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg esoterischen Strömungen nahe. Gleichzeitig trete bei „Querdenken“-Veranstaltungen Samuel Eckert auf, der einen adventistischen Hintergrund hat. Bei einer Demonstration in Leipzig habe der HNO-Arzt Bodo Schiffmann ein interreligiöses Gebet gesprochen. Ein weiterer Beleg für die Diversität innerhalb der Bewegung sei ein Strategietreffen zwischen führenden Köpfen von „Querdenken“ und dem Reichsbürger und selbsternannten „König von Deutschland“, Peter Fitzek, gewesen. Pöhlmann bezeichnet Querdenken daher als „heterogene Misstrauensgemeinschaft“.
Eine entscheidende Beteiligung von Christen kann Pöhlmann bei „Querdenken“ derweil nicht entdecken. Zu beobachten sei allerdings, dass eine zahlenmäßig kleine Gruppe aktiv ist. Vor allem adventistische Splittergruppen seien auf Anti-Corona-Demonstrationen zu erkennen. Diese würden die Pandemie als große Entscheidungsschlacht zwischen Licht und Finsternis deuten. Darüber hinaus seien „eher fundamentalistisch orientierte Christenmenschen“ auf „Querdenken“-Veranstaltungen zu finden. Diese pflegten generell ein Schwarz-Weiß-Denken und würden die aktuellen Geschehnisse endzeitlich interpretieren. Das sollte jedoch nicht überschätzt werden, sagte Pöhlmann. In Deutschland seien solche Christen, anders als in den USA, eine Minderheit.
„Rote Linien“ in Diskussionen ziehen
Den Umgang mit Verschwörungstheoretikern vergleicht Pöhlmann mit Ausdauersport. Menschen, die Verschwörungserzählungen glauben, müsse auf Augenhöhe, mit Geduld und Ausdauer begegnet werden. Oft stünden Lebensthemen oder Schicksale hinter den Ansichten. Diese gelte es zu verstehen und anzusprechen. Wichtig sei jedoch, dass in Diskussionen „rote Linien“ gezogen werden, erklärte Pöhlmann. Antisemitische oder rassistische Ansichten dürften zu keiner Zeit Platz haben. Außerdem spiele für die Gespräche eine große Rolle, wie lange Menschen einem Verschwörungsglauben anhängen. Je länger das der Fall sei, desto komplizierter werde es, diese Menschen noch zu erreichen, sagte der Landeskirchliche Beauftragte für geistige und religiöse Strömungen, Haringke Fugmann.
Belastbare Zahlen, ob religiöse Gruppen wegen der Pandemie Zuwachs verzeichnen, gebe es nicht, sagte Bernd Dürholt von der Beratungsstelle „Neue religiöse Bewegungen im Dekanatsbezirk München“. Zu beobachten sei allerdings, dass das Thema Corona von vielen Gruppierungen aufgenommen und mit eigenen Lehren und Vorstellungen verbunden werde.
Von: Martin Schlorke