Provokantes Theaterstück in Frankfurt: Jesus war queer und die Jünger alles durcheinander

Ein Theaterstück, das in Frankfurt aufgeführt wird, deutet den biblischen Jesus als queere Figur um. Bei seiner Uraufführung in Brasilien hatte es heftige Proteste gegeben.
Von Jörn Schumacher

Als das Stück 2016 in Brasilien uraufgeführt wurde, gab es Tumult, und die Darstellerin bekam Anfeindungen. Erstmals wurde das Ein-Personen-Stück „Jesus, Queen of Heaven“, in dem ein queerer Jesus behauptet, eine „Tochter Gottes“ zu sein, am Donnerstag in einer deutschen Fassung in Frankfurt aufgeführt. Das Stück provoziert auch heute noch mit einer äußerst freien Interpretation der Berichte aus dem Neuen Testament und seiner Fokussierung auf das Thema sexuelle Identität.

In einem weißen Kleid spricht der queere Schauspieler Brix Schaumburg zum Zuschauer aus der Ich-Perspektive als Jesus. Das Bibelhaus in Frankfurt am Main bat Schaumburg, das Original von der englischen Transgender-Autorin Jo Clifford auf Deutsch zu übersetzen und in einer Online-Performance zu präsentieren. Schaumburg gehört zur Theatergruppe „Transparency“ in Berlin und ist laut Bibelhaus der erste offiziell geoutete transgender Schauspieler. Er setze sich „für mehr Akzeptanz und Anerkennung von lesbischen, schwulen und bisexuellen sowie transgender, queeren, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen“ ein. Schaumburg spielte 2020 in der Fernsehserie „Sunny – wer bist du wirklich?“ den Transmann Nik.

Die Online-Aufführung des Stücks begleitet die Ausstellung „G*tt m/w/d – Geschlechtervielfalt in biblischen Zeiten“ im Bibelhaus in Frankfurt am Main. Zu sehen sind darin rund 80 Exponate, Interviews und multimediale Elemente. Virtuell ist die Ausstellung auch unter www.gott-wmd.de zu sehen. Das Stück „Jesus, Queen of Heaven“ wird nun bis zum 15. Dezember wöchentlich digital gezeigt.

„Ich bin eine Tochter Gottes“

„Jesus kommt in unsere Zeit als queere Person.“ Aus dieser Perspektive inszenierte Jo Clifford das Stück und provozierte mit seiner Darstellung und seinen Aussagen Gläubige. Als eine portugiesische Übersetzung 2016 in Sao Paolo in Brasilien auf die Bühne kam, wurde die Darstellerin Renata Carvalho von Demonstranten angefeindet. Richter verboten die Aufführung, das Oberste Gericht hob die Verbote dann aber wieder auf. Auch bei einer Aufführung in Belfast kam es vor dem Veranstaltungsort zu Protesten.

Schaumburg führt im Film als Jesus durch die Ausstellung in Frankfurt. Er spricht hauptsächlich über sexuelle Identität und interpretiert zahlreiche Jesusworte in diese Richtung neu um. „Manche von uns waren Männer. Manche von uns waren Frauen. Und manche von uns waren ein bisschen von beiden“, sagt Schaumburg als Jesus. Die Evangelisten Markus und Lukas jedenfalls berichteten davon, dass Jesus queer war – das behauptet der Schauspieler. Denn Jesus habe ja Wasser getragen, und das sei damals eine Aufgabe nur für Frauen gewesen. Über die Apostel sagt Jesus: „Stellt euch besser nicht zwölf weiße Hetero-Männer mit langen Bärten vor. Wer sowas behauptet, der lügt.“ „Maria“, heißt es weiter, „lackierte mir die Zehen und gab mir von ihrem wundervollen Parfüm.“ Susanna habe ihm das Kleid, das er trägt, auf dem Flohmarkt gekauft.

Jesus und seine queeren Jünger hätten zum Ziel gehabt „die Menschen zu verwirren“, und das habe er „am allermeisten geliebt“, sagt die Jesus-Figur. Auch weitere Bibelstellen und Jesusworte interpretiert das Stück neu und dürfte damit auch heute noch bei Christen den Blutdruck höher treiben, die sich als bibeltreu bezeichnen. Jesus sagt, queere Menschen habe es immer gegeben und weiter: „Ich habe nie gesagt: Nehmt euch vor den Homosexuellen, den Transmenschen und den Prostituierten in acht. Ich, Jesus von Nazareth, war einer von ihnen.“ Vielmehr habe Jesus vor den Selbstgerechten und den Heuchlern gewarnt, vor jenen, die sich selbst als tugendhaft bezeichnen und vorschnell urteilen. Im Duktus eines Bibelwortes fügt Schaumburg als Jesus hinzu: „Ich bin queer, ich war queer und ich werde immer queer bleiben. Von jetzt bis in alle Ewigkeit.“

Anschließend führt Jesus durch die Ausstellung und geht einige Punkte der neutestamentlichen Berichte ab. Zur Schöpfung heißt es: „Und meine Mutter sprach: Es werde Licht“ und „Ich bin eine Tochter Gottes und ziemlich sicher irgendwie auch ein Sohn.“ Und bei der Geburt war eine „Engelin“ dabei. Im Fazit sagt der queere Jesus: „Wir sind alle hier, um zu lieben und geliebt zu werden.“ Eine Art Bergpredigt, deren Worte an das Original zwar entfernt erinnern, aber inhaltlich vollständig „quer“ zum Original sind, wirkt manchmal in seiner Zentrierung auf Sexualität fast unfreiwillig komisch. „Segne die Prostituierten“, heißt es da, „dass sie verehrt werden. Segne die Frigiden und die Impotenten, dass sie Sex haben. Für immer und ewig. Amen.“

Museumsdirektor Veit Dinkelaker sagte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd), das Stück rücke „einige Missverständnisse mit Blick auf die Ausgestoßenen und Ausgegrenzten zurecht“. „Bekannte Gleichnisse und Geschichten der Evangelien erscheinen in einem ganz neuen Licht.“

In das Frankfurter Bibelhaus, das die Kultur und die Lebenswelt der Bibel vermitteln möchte, kommen nach eigener Aussage jährlich über 25.000 Besucher. Ausgestellt sind Objekte wie ein Nomadenzelt, ein originalgetreuer Nachbau eines Fischerbootes aus der Zeit Jesu sowie weitere interaktive Elemente. Das Museum wurde 2003 in einer ehemaligen Kirche errichtet, Träger ist die Frankfurter Bibelgesellschaft e.V., gefördert wird es durch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau und durch das Dezernat für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main.

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4 Antworten

  1. Dieses Theaterstück rück keine Missverständnisse zurecht. im Gegenteil es fördert sie. wie da Jesus dargestellt wird, grenzt für mich an Gotteslästerung. So wie so habe ich den Eindruck basierend auf einen Briefwechsel mit Museumsdirektor Veit Dinkelaker, dass diese Bibelgesellschaft ganz massiv von den Biblischen Texten abweicht und sie so dreht dass die Texte dem Main-Stream entsprechen. Nein ,damit kann ich nicht mehr einverstanden sein!

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  2. Ja, queer sind diese Leute tatsächlich. Für mich ist dies eine Persiflage von Jesus. Und der Museumdirektor Pfarrer Veit Dinkelaker fährt freudig im Mainstream mit. Wo dies wohl alles noch hinführt. wie viel Lästerung darf es denn noch sein?

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  3. Ich bin gar nicht so „entsetzt“. Als Gotteslästerung „sehe“ ich das nicht.
    Jesus hält das ganz sicher alles aus ! Bei manchen „Frommen“ bin ich mir da nicht so sicher.

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