Die meisten Demonstranten gehörten der islamistischen Muslimbruderschaft an, meldet die Nachrichtenagentur dpa. Auf die Straße gingen aber ebenfalls radikale Islamisten der Salafistenbewegung und der Gamaat Islamija. Auch einige Angehörige linker und liberaler Gruppen schlossen sich den Protestierenden an. Sie wollen vor allem verhindern, dass die Armeeführung, die nach der Entmachtung Mubaraks im Februar die Macht übernommen hatte, nach der Wahl neuer Volksvertreter weiter die Zügel in der Hand behält. Die Regeln für eine neue Verfassung sollen unter anderem die Macht des Militärs absichern, eine Diskriminierung von Frauen und Christen verhindern und die Begrenzung von Amtszeiten garantieren.
"Situation der Christen hat sich nicht zum Besseren gewendet"
Noch vor zehn Monaten hatten Moslems und Kopten gemeinsam gegen das Regime Husni Mubaraks demonstriert. Doch schon damals gab es auch Vorbehalte: "Viele Christen konnten die Forderungen der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz zwar verstehen, befürchten aber, dass die Muslimbruderschaft die Regierung übernehmen würde", sagt der Kopte Philip Hanna, der in Kairo für das Goethe-Institut arbeitet, nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). So hätten die demonstrierenden Kopten nicht für alle Christen im Land gesprochen, die einen Anteil von etwa zehn Prozent an der Gesamtbevölkerung haben. "Viele Kopten haben eine Gefahr gewittert, die von den Muslimbrüdern ausgehen könnte. In den Monaten nach dem Sturz Mubaraks hat sich unsere Situation nicht zum Besseren gewendet: Es ist ein Sicherheitsvakuum entstanden."
Die FAZ erinnert in dem Zusammenhang daran, dass die Gewalt gegen Christen Anfang Oktober einen neuen Höhepunkt erreicht hat: In Kairo protestierten Kopten gegen Ausschreitungen gegen sie und ihre Kirchen. Bei Straßenschlachten und Schlägereien mit Schlägertrupps und dem Militär starben 27 Menschen, vorwiegend Kopten, mehr als 300 Menschen wurden verletzt.
Nach wie vor 34 Christen in Haft
Die Menschrechtsorganisation "Middle East Concern" wies am Freitag darauf hin, dass nach wie vor 34 Christen wegen des Vorwurfs der Beteiligung an den gewalttätigen Zwischenfällen damals in Haft seien. Noch am 3. November habe ein Gericht verfügt, dass sie in Haft bleiben sollen, bis die Ergebnisse der Ermittlungen wegen "Aufforderung zur Gewalt, Waffentragens und Beleidigung der Streitkräfte" vorliegen.
In Ägypten wird vom 28. November an in drei Phasen ein neues Parlament gewählt. Anschließend soll das Land eine neue Verfassung erhalten. Die Islamisten, die sich bei dem Urnengang gute Chancen ausrechnen, wollen bei diesem Prozess keine Beschränkungen akzeptieren. Die FAZ schreibt, dass die Parlamentswahlen über die künftige Stellung der Kopten in der ägyptischen Gesellschaft entscheiden. Eine Partei, die sich als Vertretung der Kopten versteht, gebe es nicht. Es sei wahrscheinlich, dass die koptischen Wähler ihre Stimmen den liberalen Parteien gebe, zitiert das Blatt den Nahost-Fachmann der Stiftung Wissenschaft und Politik, Stephan Roll.
Siegt die Muslimbruderschaft?
Allerdings deute vieles darauf hin, dass die neu gegründete Partei der Muslimbruderschaft, die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (PFJ), als Siegerin aus der Wahl hervorgehen wird, schreibt die FAZ. Die PFJ präsentiere sich als moderat islamistisch. Sie halte an Artikel 2 der ägyptischen Verfassung fest, wonach die Scharia die Hauptquelle der ägyptischen Rechtsprechung ist und werbe mit dem Slogan "Der Islam ist die Lösung". Gleichzeitig versuche sie, auch für Christen attraktiv zu sein. Der Islam stelle die Christen unter Schutz, es gebe keinen Grund zur Sorge, zitiert die Zeitung eine der führenden Figuren der Bruderschaft. Viele Christen in Ägypten hielten die Selbstdarstellung der PFJ jedoch für bloße Taktik. Für sie hänge von den Wahlen vieles ab: ihre gesellschaftliche Gleichstellung als Bürger. Dazu gehöre nicht zuletzt ihre Sicherheit.
Und die ist nach wie vor in Gefahr: Wie dpa meldet, hatte am Donnerstagabend ein Schlägertrupp in Kairo christliche Demonstranten attackiert und 29 von ihnen verletzt. Die Angreifer waren mit Steinen auf die koptischen Christen losgegangen, die gegen die in Ägypten übliche Praxis demonstrieren wollten, Zivilisten vor Militärgerichten den Prozess zu machen. (pro/dpa)