Die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum sind in ihrer Gesinnung von Luthers Ideengut so weit entfernt wie nur irgendwie denkbar. Das schreibt der Feuilleton-Chef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Jürgen Kaube, am Montag anlässlich des Reformationstages. Auf den Aktionen der Feierlichkeiten stehe zwar Luther drauf, aber es sei kein Luther drin.
Im Artikel „Lasst uns froh und Luther sein“ greift Kaube, der auch einer der vier Herausgeber der Zeitung ist, Personen wie den Ratsvorsitzenden der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und die Botschafterin der evangelischen Kirche für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann, an. Für Kaube bietet Bedford-Strohm nur eine weichgespülte Version Luthers an, die eine „Litanei der Wertbekräftigung“ sei. Auch bei Käßmann werden laut des FAZ-Herausgebers die „unlieben Gedanken“ auf Abstand gehalten.
Liebsein führt nicht in den Himmel
Kaube beschreibt Luther als Reformator, der lehrte, wie sehr Verzweiflung, Sorge und Elend die Existenz bestimmen. Die Galionsfigur des Protestantismus habe keine sündenfreien Handlungen gekannt und daraus auch keine Rettung durch „Liebsein“ abgeleitet. „Dass Liebsein in den Himmel führt, ist für Luther eine Redensart derjenigen gewesen, die er als ‚weiße Teufel‘ bezeichnete“, schreibt Kaube. Er sei ein Mann gewesen, der mit dem Fortschrittsglauben nichts anfangen konnte und heute wohl in seinen Ansichten als „fundamentalistisch“ gelten würde.
Ein Buchautor hat diesen Luther für Kaube mit am besten eingefangen. Willi Winkler sieht in seiner Biografie „Ein deutscher Rebell“ den Reformator als „wütenden Berserker im Kampf gegen den katholischen Erlösungskapitalismus“. Wenn Luther von Gerechtigkeit sprach, meinte er demnach keine Umverteilungsfragen, sondern einen Gott mit Gerichtsgewalt und die Gewissensqualen für jeden Einzelnen.
Ein „merkwürdiges Schauspiel“ sei für den FAZ-Herausgeber das jetzige Wegräuspern von Luthers Intoleranz, Antisemitismus und Wüten. Der Protestantismus der Reformationsfeiern protestiere gegen das, wogegen eigentlich alle protestieren. „Ein Risiko liegt darin nicht, mit Theologie hat das nichts zu tun“, findet Kaube. Wer Luther für die Gegenwart beanspruche, habe ihn vermutlich länger nicht gelesen. (pro)Spiegel über Luther: „Der erste Wutbürger“ (pro)
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