In der Reportage „ProSieben THEMA. Genmedizin. Darf der Mensch Gott spielen?“ geht der Journalist Thilo Mischke der Frage nach, wie weit Genmedizin in das Leben von Mensch und Tier eingreifen darf und mit welchen Chancen, aber auch Risiken, der Eingriff in das Erbgut von Lebewesen verbunden ist. Rechtfertigt der Wunsch vieler Menschen, im Hier und Jetzt ewig – oder wenigstens gesund und vital bis ins hohe Alter – zu leben, die Methoden der Gentechnik? Mischke beleuchtet in der Sendung kritisch Hoffnungen an die und Versprechen der Gentechnik.
Dazu lässt Mischke sich unter anderem die eigene DNA mittels kommerzieller Gentests analysieren. Viele Menschen wollen so ergründen, wie hoch ihr Risiko ist, einmal an Krebs oder an Alzheimer zu erkranken. Was aber bedeutet es, wenn das Ergebnis eines Gentests das ganze Leben eines Menschen auf den Kopf stellt? Die Reportage zeigt die Reaktion darauf, wenn ein Mensch aufgrund einer Erbgutanalyse erfährt, wahrscheinlich an einer bestimmten Krankheit zu erkranken.
Wie weit würde der Zuschauer gehen?
Der Journalist begleitet in der Reportage den US-Amerikaner Brian auf die Cayman-Islands. Der 40-Jährige hofft darauf, dort durch eine teure, aus eigener Tasche finanzierte, Stammzellentherapie, die in den USA verboten ist, Linderung seiner Leiden zu erfahren. Leider vergeblich, wie die Reportage offenlegt.
Mischke spricht auch mit der US-Amerikanerin Dorothee. Die hat sich nach einem Gentest und der daraus resultierenden Prognose, wegen einer Genmutation an Krebs zu erkranken, Eierstöcke und Brüste operativ entfernen lassen. Die Beispiele machen deutlich, wie schwierig es ist, mit dem Wissen über das eigene Erbgut umzugehen. Zudem muss sich der Zuschauer durch die Schilderungen selber fragen, wie weit er gehen würde, um eigenem Leid – etwa durch eine Gentherapie oder eine vorbeugende Operation – aus dem Weg zu gehen.
Am Beispiel eines Klon-Labors in Argentinien schildert die Reportage auch beispielhaft, dass das Klonen von Pferden für den Polosport in dem Land bereits offiziell erlaubt und gesellschaftlich akzeptiert ist. Auch, dass das Klonen für die Betreiber des Labors ein lukratives Geschäft und die Gentechnik ein Milliarden-Business ist. Vor dem Hintergrund erschrickt einen die wohl nicht ganz ernst gemeinte Bemerkung des Laborbetreibers, den Fußballstar Lionel Messi für die argentinische Nationalmannschaft zu klonen. Die Reportage fragt an konkreten Beispielen von Menschen, dem Sport, der Wissenschaft und deren Anwendung von Gentechnik in der Natur: „Wie weit darf der Mensch bei der Gentechnik gehen?“
Dabrock: „Recht auf Nichtwissen“
Der Ethiker und Theologe Peter Dabrock macht in dem TV-Beitrag klar, dass dort, wo es um viel Geld und Hoffnung geht, Menschen auch betrogen werden. Dabrock rät, genau zu überlegen, was die Erkenntnisse eines Gentests einem selber, aber auch den Kindern und Verwandten zumuten. „Hänge ich über deren Leben ein Damoklesschwert?“, fragt der Theologe und betont, dass es auch ein „Recht auf Nichtwissen“ gibt.
Die kurzweilige Reportage schildert an konkreten Fällen unterschiedlicher Lebensbereiche anschaulich die Chancen und Risiken, aber auch die ethischen Herausforderungen, der Gentechnik. Dass die Dokumentation zeigt, wie der Journalist selbst zwischen Skepsis gegenüber und Begeisterung für die Gentechnik hin- und hergerissen wird, macht die TV-Produktion glaubwürdig und authentisch. In dem Beitrag wird deutlich, dass der Schritt vom Klonen von Sportpferden zum Klonen von tierischen Organen zur Organ-Transplantation am Menschen klein – und der aus wissenschaftlicher Sicht nächste logische Schritt – ist. Das darf einen aufhorchen lassen.
Aufgabe: „Abwägen!“
In Kalifornien beispielsweise arbeiten Wissenschaftler daran, mittels Gentechnik, Stechmücken genetisch so zu verändern, dass die unliebsamen Tierchen keine Krankheiten wie Malaria mehr übertragen können. Die eingesetzte Technik, „CRISPR-Cas9“ genannt, ist auch beim Menschen und seinem Erbgut anwendbar. Das wird viele kranke Menschen aufhorchen lassen. Andere wird der Gedanke daran verstören.
Die Reportage zeigt auch, dass die viel beschworene „rote Linie“, das Klonen von Menschen, keine auf Ewigkeit unverrückbare Grenze oder Tabu ist. „Wenn in der Wissenschaft sich Grenzen verschieben, dann wird natürlich immer auch darüber reflektiert, ob die jetzigen Standards, guter wissenschaftlicher und guter medizinischer Praxis, angemessen sind, oder nicht“, erklärt Dabrock.
Mit anderen Worten: Nichts ist ethisch auf ewig einzementiert oder unverrückbar – auch nicht, was den Eingriff des Menschen in die Erbanlagen seiner Spezies angeht. Mischke kommt am Ende zu dem Fazit: „Für uns wird die Aufgabe bleiben, genau abzuwägen. Denn, mit den Möglichkeiten der Gen-Revolution wird es nicht nur darum gehen, ob wir können, sondern, was wir wollen.“ Das trifft den Kern des Problems.
Die sehenswerte Reportage – gänzlich ohne das oft ProSieben-typische Knaller- und Ballerspektakel – schürt keine Ängste, sondern mahnt sachlich zu kritischer Bewertung sowohl der Werbeversprechen der Gentechnik, als auch der geweckten Hoffnungen in diesem ethisch hoch-komplexen Bereich der Technik.
Die Reportage „ProSieben THEMA. Genmedizin. Darf der Mensch Gott spielen?“ läuft am Dienstag, 1. August, um 20.15 auf ProSieben.