Der Deutsche Presserat rügte in seiner jüngsten Sitzung die Redaktion von Bild.de für ihren Umgang mit dem Attentat von Halle. Die Journalisten hatten Ausschnitte aus dem Video veröffentlicht, das der Attentäter während seines Anschlags auf die Synagoge live ins Internet übertrug. Der Presserat teilte am Freitag mit, die Bild habe damit gegen den Pressekodex verstoßen, weil sie sich zum Werkzeug eines Verbrechers habe machen lassen.
In dem Video unter dem Titel „35 Minuten Vernichtungswahn“ habe ein Reporter die gezeigten Sequenzen zwar eingeordnet, die Redaktion habe aber die „Dramaturgie des Täters“ übernommen, indem sie seine Vorgehensweise chronologisch zeigte. „Bei beiden Szenen konnten die Zuschauer aus der Perspektive des Täters quasi live dabei sein. Diese Darstellung geht über das öffentliche Interesse hinaus und bedient überwiegend Sensationsinteressen“, urteilt der Presserat.
Nicht beanstanden wollte das Gremium die Veröffentlichung des Fotos und des Namens des Attentäters von Halle durch Bild.de. Es habe ein „berechtigtes öffentliches Interesse“ daran bestanden. Ein Beschwerdeführer hatte kritisiert, durch die Namensnennung sei dem Täter eine Bühne geboten worden.
Opferschutz missachtet
Bild und Bild.de erhielten zudem Rügen für Verstöße gegen den Opferschutz. Die Zeitung hatte das Foto einer bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Familie gedruckt. Bild.de zeigte zudem das Facebook-Foto einer Frau, die im nordrhein-westfälischen Voerde vor einen Zug gestoßen worden war, sowie ein Bild des Täters. Ersteres verstoße gegen den Opferschutz, das zweite sei vom öffentlichen Interesse gedeckt, urteilte der Presserat. Obwohl der Ehemann des Opfers auf Facebook offen mit dem Verlust seiner Frau umgegangen war, hätte es laut Medienwächtern einer aktiven Einwilligung zur Nutzung der Bilder bedurft.
Insgesamt sprach der Presserat in seiner diesmaligen Sitzung vier öffentliche Rügen, acht Missbilligungen und zehn Hinweise aus. Der Presserat bewertete drei Beschwerden als begründet, verzichtete jedoch auf eine Maßnahme. 48 Beschwerden sah er als unbegründet. Das Gremium tagt mehrmals im Jahr.
Von: Anna Lutz