Post-Evangelikalismus, KI und Nahtod – Die Youtube-Theologen

Spannende Diskussionen zu aktuellen Themen wie KI, Popkultur oder moderne Apologetik veröffentlicht das „Zentrum für Glaube & Gesellschaft“ auf Youtube. Die schweizerische Organisation feiert ihren 10. Geburtstag.
Von Jörn Schumacher

Unter dem Namen „Glaube & Gesellschaft im Gespräch“ stellen die jungen Theologen der Universität Fribourg wöchentlich Videos bei Youtube online. Darin diskutieren sie mit Experten über Themen rund um den christlichen Glauben und Themen der Zeit. Das können uralte Menschheitsfragen sein wie „Gibt es einen Gott?“ oder „Warum lässt Gott Leid zu?“, aber auch moderne Themen wie Künstliche Intelligenz, aktuelle Kinofilme oder die „geistlichen (Über)Lebensregel im digitalen Zeitalter“.

Es geht bei den Gastgebern ebenso um das Leben nach dem Tod wie auch um die Technologie-Firmen Meta oder Neuralink. Sie betten die Fragen dabei immer in einen christlichen Kontext ein. Einmal diskutieren sie über die Religion im Film „Dune“, dann analysieren sie eine Dokumentation im ZDF mit Harald Lesch zum Thema Gott. Mit dem Soziologen Hartmut Rosa sprechen sie über Allmacht und Ohnmacht, mit dem Theologen Johannes Hartl über Freiheit. Der Kanal startete im März 2020, und bislang wurden die über 250 veröffentlichten Videos über eine Million mal angeklickt. Die Zahl der Abonnenten liegt bei über 8.000.

Regelmäßig mit von der Partie ist Oliver Dürr. Er hat 2023 das bemerkenswerte Buch „Transhumanismus – Traum oder Alptraum?“ geschrieben, in dem er aus christlicher Perspektive kritisch auf moderne Bestrebungen blickt, den Menschen mittels Technik perfekt und unsterblich zu machen. Dürrs Arbeitsschwerpunkte fließen maßgeblich in die Themenfindung zu den Sendungen ein: Techniktheologie, Anthropologie in der digitalen Transformation, Künstliche Intelligenz und Metaphysik im „post-metaphysischen“ Zeitalter.

„Technologie hat nicht immer nur positive Effekte auf den Menschen“

Hinter dem Youtubekanal steht das schweizerische „Zentrum für Glaube & Gesellschaft“, dessen  neuer Direktor Oliver Dürr ist. Das Zentrum ist angegliedert an das 1964 gegründete „Institut für Ökumenische Studien“ an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg. Das Zentrum wurde vor zehn Jahren ins Leben gerufen, um die wissenschaftliche Forschung zu unterstützen und spezialisierte Lehrveranstaltungen anzubieten. Derzeit arbeiten dort zehn Personen.

Die Universität wurde 1889 als „Universität der katholischen Schweiz“ gegründet. Nicolas Matter vom „Zentrum Glaube & Gesellschaft“ erklärt: „Wegen der fortschreitenden Reformationsbestrebungen in der Westschweiz zogen sich viele Katholiken nach Fribourg zurück, deswegen gab es hier sehr früh eine Ballung an katholischen Institutionen.“ Doch auch wenn die Hochschule dezidiert katholisch sei, verfüge das Zentrum über gute Kontakte auch in evangelikale Kreise. „Es gibt eine große ökumenische Offenheit hier“, sagt Matter. „Gerade am Institut für ökumenische Studien gibt es einen starken Austausch mit der orthodoxen, aber auch mit der reformierten Kirche der Schweiz und grundsätzlich mit Kirchen der Reformation sowie evangelikalen und freikirchlichen Christen.“ So gebe es etwa auch gemeinsame Veranstaltungen des Zentrums mit der Schweizerischen Evangelischen Allianz.

Was macht den Menschen zum Menschen?

Angefangen habe die Arbeit des Zentrums mit den „Studientagen zur kirchlichen und gesellschaftlichen Erneuerung“, die auch heute noch jährlich stattfinden, mittlerweile allerdings unter dem neuen Namen „Forum Glaube und Gesellschaft“. Die Studientage seien eine der wichtigen Säulen der Arbeit. In diesem Jahr kamen über 500 Teilnehmer, das Thema lautete „Cultural Witness: Das christliche Zeugnis in der Gesellschaft“.

Eines der wichtigsten Forschungsprojekte derzeit sei das „Contesting Computer-Anthropologies“ (CCA), sagt Matter. „Da geht es um die Reflexion zur Frage: Was macht eigentlich den Menschen zum Menschen? In neueren Formen transhumanistischen Denkens wird der Mensch auf eine problematische Art konzeptualisiert. Das sehen wir kritisch“, sagt der Theologe. „Bei aller Schätzung von Technologie wollen wir diese auch theologisch reflektieren.“ Kurz: Eine gewisse Skepsis gegenüber Technologie als Religionsersatz ist hier durchaus verbreitet. Matter: „Technologie hat eben nicht immer und überall nur positive Effekte auf den Menschen. Und überall dort, wo etwas einen solchen Stellenwert erhält wie Technologie in unserer Zeit, schwingen Gefahren mit.“

Das „Zentrum für Glaube & Gesellschaft“ sieht sich selbst in einer Brückenfunktion: „Wir wollen akademische Inhalte zu den Menschen bringen“, sagt Matter, „und andererseits Kirchen und Pastoren dabei helfen, sprachfähiger bei bestimmten Themen zu werden.“ Seit drei Jahren werden die Diskussionen als Podcast veröffentlicht, wobei vor allem Youtube das dem Format angemessene Medium sei. Die Produktion der Videos verantwortet die Firma „Schwarzfalter“ im Schweizerischen Biel, die Video-Content „an der Schnittstelle zwischen akademischem Denken und künstlerischem Ausdruck“ produziert.

Vor kurzem ist auf dem Youtube-Kanal ein mehrteiliges Projekt zum Thema Freiheit gestartet. „Ob in der Politik, in der Wirtschaft, bei der Technologie, in der Wissenschaft oder im alltäglichen Leben – an der Vorstellung, was Freiheit ist, zeigt sich sehr viel“, sagt Matter, „es ist so eine Art hermeneutischer Schlüssel. Und natürlich geht es um die Frage, was Freiheit für Christen bedeutet.“

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