Politologe: Martin-Luther-Straßen umbenennen

Fast 300 Plätze und Straßen in Berlin tragen Namen von Personen, die mit Judenhass in Verbindung gebracht werden können. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie. Unter den Namen finden sich prominente Persönlichkeiten wie Martin Luther und Konrad Adenauer.
Von Martin Schlorke
Martin-Luther-Straße

Mindestens 290 Berliner Straßen und Plätze weisen in ihren Namen antisemitische Bezüge auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Senatsverwaltung für Justiz und Antidiskriminierung in Auftrag gegebene Studie. Der Studienautor, der Politologe Felix Sassmannhausen, will mit seinen Ergebnissen eine gesellschaftliche Debatte anstoßen. Gleichzeitig empfiehlt er die Umbenennung von 101 Straßen- und Platznamen.

Betroffen von dieser Empfehlung sind beispielsweise Straßen und Plätze, die nach dem Komponisten Richard Wagner oder nach seinen Opern und Figuren benannt sind. „Wagner war überzeugter Antisemit und Verfasser der antisemitischen Schrift ‚Das Judenthum in der Musik‘ (1850). Werk und Weltbild lassen sich unter anderem deshalb nicht trennen“, heißt es in der Studie. Wegen seiner antijüdischen Schriften und der Verbreitung des christlich motivierten Antijudaismus legt der Studienautor ebenfalls nahe, den Namen Martin Luther aus dem Straßenbild zu verbannen.

Der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Berlin, Samuel Salzborn, sagte im Rahmen der Vorstellung der Studie am Montag, dass es in der evangelischen Landeskirche sehr engagierte Akteure gebe, die sich selbstkritisch mit dem Thema Judenfeindlichkeit auseinandersetzten. Erst im November diskutierten in Berlin kirchliche Vertreter über den Umgang mit antijüdischer Kirchenkunst. Dennoch wünsche er sich, dass „man das Problem noch intensiver angeht“. Die Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Marion Gardei, sagte, dass Luther trotzt seiner judenfeindlichen Äußerungen für die „radikale Erneuerung der Kirche und des christlichen Glaubens“ stehe. Aus diesem Grund sei die Auseinandersetzung mit ihm für die evangelische Kirche „existenziell und unverzichtbar“.

Adenauer ein Antisemit?

Sassmannhausen ist ein halbes Jahr den Namensgebern der rund 10.500 Berliner Straßen und Plätzen nachgegangen. Dabei habe er in jedem der zwölf Bezirke fragwürdige Benennungen gefunden.

Neben den Namen, die seiner Meinung nach umbenannt werden sollten, listet er eine Reihe von Bezeichnungen auf, für die er weitere Forschungen und digitale Kontextualisierung auf den jeweiligen Online-Straßenguides vorschlägt. Das betrifft beispielsweise die Thomas-Mann-Straße oder den Adenauerplatz. Beim ersten deutschen Bundeskanzler, Konrad Adenauer, gebe es Hinweise auf antisemitische Ressentiments in seinem Denken. Er habe sich in seiner Regierung mit vielen ehemaligen NS-Funktionären umgeben und den Antisemitismus in der Gesellschaft bagatellisiert.

Wie die Tageszeitung Die Welt berichtet, kritisierte ein Sprecher der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung die Vorwürfe. Die Politik des ersten Kanzlers der BRD habe sich klar gegen Antisemitismus gerichtet. Zudem verwies der Sprecher auf Adenauers Einsatz für die deutsch-israelischen Beziehungen: „Von daher können wir nicht nachvollziehen, dass in dem Dossier eine Verbindung von Konrad Adenauer zum Thema Antisemitismus gezogen wird.“

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7 Responses

  1. Jetzt wird es aber langsam blöd. Aus meiner Sicht ist es nicht verständlich, mit welchem Hochmut und Arroganz solche Leute wie Sassmannhausen diese Sache angehen. 1. Ich kenne keinen fehlerfreien Menschen. 2. Ich habe noch nie in einem totalitären Regime gelebt kann mir aber vorstellen, dass da nicht jeder wie z.B. Adenauer immer seinen Prinzipien treu bleiben kann. Wenn deshalb so etwas Ernst nehmen kann, dann aber gute Nacht Deutschland

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  2. Intoleranz im Rahmen der Toleranz.
    Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

    Außer vielleicht doch den Hinweis, dass es besser wäre, zunächst vor der eigenen Tür zu kehren. Also die jetzt und Heute virulenten antisemitischen Aktivitäten zu benennen und zu unterbinden, als die vergangenen Jahrhunderte zu „reinigen“.

    Pro berichtete über eine heute merkwürdig zögerliche Reaktion auf Antisemitismus:
    „Die Journalistin Nemi El-Hassan soll das Wissenschaftsmagazin Quarks moderieren. Weil sie 2014 beim antisemitischen Al-Quds-Marsch mitlief und Islamismus verharmlost haben soll, steht sie in der Kritik. Der WDR sieht jedoch keinen sofortigen Handlungsbedarf. “
    https://www.pro-medienmagazin.de/wdr-zieht-trotz-islamismus-vorwurf-vorerst-keine-konsequenzen/

    Update: Beim WDR ist sie raus, aber das ZDF wird die Moderatorin Nemi El-Hassan weiterhin beschäftigen. Sie wird weiter für das Format Der Fall im Jugendangebot Funk tätig sein.

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  3. @Tertullian: Dann können wir die Namen wie in Mannheim oder New York nur noch mit Buchstaben oder fortlaufende Zahlen verwenden.

    Mal Hand aufs Herz: Berlin sollte sich lieber mal mit der eigenen Rolle im Bezug auf Helmut Kentlers beschäftigten. Er hat Pflegekinder bei Pädophilen untergebracht und sein Ansatz einer frühen Sexualisierung werden heute noch in der Pädagogik angewandt und schadet Kindern massiv, indem sie die früh sexualisieren & die natürliche Scham, die ein Schutz ist, abbaut.

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  4. Der Ku’damm müsste sicher auch umbenannt werden. Er kann mit dem antisemitischen Al-Quds-Marsch in Verbindung gebracht werden…

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  5. Richard-Wagner: Der aus Gießen stammende Rabbinersohn Hermann Levi war zeitweise der prominenteste Dirigent Wagnerscher Opern. Alfred Pringsheim, international angesehener Mathematikprofessor in München, jüdischer Schwiegervater von Thomas Mann, war Ende des 19.Jh. der bedeutendste Anhänger Wagners, entwickelte Klavierauszüge seiner Werke u.a. Für die Juden, die Wagners Werke bewunderten, war sein Antisemitismus ein „Spleen“. Wenn Salzborn und Sassmannshausen wissenschaftlich korrekt arbeiten wollen, müssen sie sich auch mit den sehr unterschiedlichen Positionen der deutschen Juden vom 19.Jh. bis 1933 beschäftigen.

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  6. „Mannheim“ muss auch umbenannt werden, wegen Gendergerechtigkeit, ebenso wie“Frauenkirche“und „Mohrenapotheke“. Wie blöd soll es denn noch werden?

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