Am 4. Juli erreichte der bisher größte Abschiebeflug aus Deutschland Afghanistan. 69 Asylbewerber befanden sich an Bord, einer von ihnen nahm sich kurze Zeit später in Kabul das Leben. Auch ein Christ aus Bayern soll laut Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) unter den Abgeschobenen gewesen sein.
In einer Predigt berichtete der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, von dem Mann: Er habe seit acht Jahren in Deutschland gelebt, bevor er Anfang Juli nach Afghanistan abgeschoben wurde. Noch in Deutschland habe er einen Suizidversuch unternommen. Der Mann habe keine Familie mehr in Afghanistan, alle Angehörigen seien bei Kämpfen umgekommen. Seine Heimatgemeinde im oberpfälzischen Weiden habe ihn nach intensiver Unterweisung getauft. Sie bete auch jetzt weiter für ihn. Bedford-Strohm zitierte in seiner Predigt auch den zuständigen Dekan mit den Worten: „Es wird einfach durchgehend unterstellt, dass sich Flüchtlinge nicht ernsthaft taufen lassen.“
Glaubenswechsel aus „asyltaktischen Gründen“?
Auf Anfrage von pro hat sich nun das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu dem Vorwurf geäußert und die derzeitige Praxis persönlicher Anhörungen verteidigt, die dazu dienen, die Wahrhaftigkeit des christlichen Bekenntnisses zu überprüfen. Dabei müsse der Antragsteller glaubhaft machen, „dass er seine Konversionsreligion bei Rückkehr in sein Heimatland ausüben wird und dass ihm deswegen dort eine asylrelevante Verfolgung droht“. Der jeweilige Entscheider beurteile, „ob der Glaubenswechsel des Antragstellers aus asyltaktischen Gründen oder aus echter Überzeugung erfolgt ist“. Dabei zweifle das BAMF die Taufbescheinigungen der Kirchen aber nicht an: „Es wird generell unterstellt, dass eine sorgfältige Taufbegleitung von Seiten der christlichen Gemeinden erfolgt ist.“
Die Taufbescheinigung bestätige, dass ein Glaubensübertritt stattgefunden habe, sie sage aber nichts darüber aus, wie der Antragsteller seinen neuen Glauben bei Rückkehr in sein Heimatland voraussichtlich leben werde und welche Gefahren sich daraus ergäben. Integrationsleistungen wie eine feste Arbeitsstelle oder Sprachkenntnisse spielten bei der Entscheidung keine Rolle. Lediglich die Ausländerbehörden der einzelnen Bundesländer könnten aufgrund solcher Leistungen Duldungen aussprechen. Diese sind es auch, die nach einer Entscheidung des BAMF für die Abschiebungen zuständig sind.
Kritik von Kirchen
Das BAMF äußerte sich weder dazu, ob es Afghanistan für ein sicheres Land für Konvertiten hält, noch dazu, ob sich die Vorgehensweise des Bundesamtes nach scharfer Kritik unter anderem aus den Kirchen geändert hat. Bereits seit Monaten mahnen christliche Vertreter an, dass das BAMF durch seine Anhörungen unrechtmäßig den Glauben von Konvertiten in Frage stelle. Wenn überhaupt seien es die Kirchen, die die Asylbewerber im Taufprozess begleiteten, die die Wahrhaftigkeit eines Bekenntnisses beurteilen könnten, so die Kritik.
Darüber hinaus sind Abschiebungen nach Afghanistan umstritten. Die Bundesregierung schätzt die Lage in Teilen des Landes als sicher ein. Experten widersprechen. Nach einem schweren Anschlag im vergangenen Jahr waren Abschiebungen zunächst ausgesetzt worden. In den vergangenen Monaten wurden nur Straftäter, Gefährder oder Personen, die ihre Identität verschleiert haben, ausgewiesen. Derzeit weisen die Bundesländer auch wieder Asylbewerber aus, die nicht in diese Kategorie fallen.
Von: Anna Lutz