Der 45.Präsident der USA wird als der schlechteste Präsident in der Geschichte eingehen. Die Fakten-Checker haben vom ersten bis zum letzten Tag der vierjährigen Amtszeit von Donald J. Trump alle Lügen gezählt, die er von sich gegeben hat. Sie kamen am Ende auf 30.573 Falschaussagen. Das sind etwa 21 pro Tag.
Manche Lügen sind teilweise lustig, manche dramatisch und lebensgefährlich. Lustig etwa Trumps erste Lüge im Amt: Dass das Wetter bei seiner Amtseinführung perfekt war und die Sonne geschienen habe. In Wirklichkeit hatte es geregnet. Lustig etwa, als Trump das Bild einer Wetterkarte der staatlichen Wetter-Behörde NOAA mit einem Farbstift manipuliert hatte und in einer Pressekonferenz präsentierte, als es um den Hurricane Dorian ging. (Funfact: Für die öffentliche Manipulation von Wetterkarten kann man in Amerika für drei Monate ins Gefängnis kommen.) Am Rande gab es noch lustige Lügen wie die in seinem Wahlkampf, dass er einmal zum „Man of the Year“ des Staates Michigan gewählt worden sei. Das ist nie passiert. Eklige Lügen gab es wie die, dass er erstens nie etwas mit der Porno-Darstellerin Stormy Daniels gehabt habe und zweitens auch nie über einen Anwalt Schweigegeld an eben jene Frau gezahlt hatte. Insgesamt 25 Frauen werfen dem ehemaligen Präsidenten der USA sexuellen Missbrauch an ihnen vor. Bei manchem Präsidenten hätte nur eine solche Anklage schwerwiegende Folgen gehabt.
Seine schlimmste Lüge allerdings, die ihm zum Schluss den größten Teil seiner Anhängerschaft gekostet hat, ist Trumps dreiste Behauptung, dass er die Wahl eigentlich gewonnen habe. Trump rief sogar beim Innenminister von Georgia, Brad Raffensperger, an und verlangte von ihm, dass er das Wahlergebnis manipuliert. Trump drohte Raffensperger, denn seiner Meinung nach beginge der Minister eine Straftat, wenn er nicht manipulierte; schließlich sei die US-Wahl ja ohnehin gewonnen. Mit anderen Worten: Trump, der am meisten auf andere schimpfte, Lügner zu sein, war der größte Lügner von allen. Und die Medien, die stattdessen die Wahrheit vermeldeten, waren für ihn bekanntermaßen „Fake News“. Trump log nicht nur hin und wieder, er hatte die Lüge zum Prinzip seiner Amtsführung gemacht.
Zwar wurden bereits längst alle Klagen wegen einer angeblich manipulierten Wahl von Richtern abgeschmettert, doch das hält Trump nicht davon ab, weiter dreist zu behaupten, die Wahl sei eigentlich für ihn ausgegangen. Es wäre fast ein wenig lustig, wenn nicht Hunderttausende Menschen in den USA, treue Zuschauer von Fox News, dieser Lüge Glauben schenken würden. Eine Masse von Trump-Anhängern stürmte am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington, sie wollten eine vermeintlich korrupte Wahl wieder geradebiegen. Nicht nur fünf Menschen verloren dabei ihr Leben, sondern auch die „große Nation“, die anderen Ländern in Übersee gerne die Demokratie empfiehlt, einen großen Teil ihrer Glaubwürdigkeit.
„Fox News ist noch eher antidemokratisch als pro-Trump“
Bis heute stehen zahlreiche Republikaner fest an Trumps Seite und unterstützen diese Lüge. Plötzlich waren die USA ein Land, in dem die Bürger einem lügenden Präsidenten hinterherlaufen und seinem Aufruf folgen, für ihr Recht auf das „richtige“ Wahlergebnis zu kämpfen. Als der Mob dann im Kapitol wütete, war der Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen nicht etwa entsetzt und rief zum sofortigen Stopp des Aufstandes auf. Stattdessen grinste er in die Kamera und lobte: „Wir lieben euch. Ihr seid ganz spezielle Leute.“
Was aber, wenn Medien auf den Zug aufspringen und ebenfalls sich dazu entschließen, Lügen zu verbreiten, weil es die Zuschauer so erwarten und sie ihnen nur so treu bleiben? Was, wenn Quote über Wahrheit gestellt wird, um des Profits willen? Es ist eine Sache, als Journalist die Politik der Regierung nicht gut zu finden. Es ist eine andere Sache, die demokratischen Gegebenheiten insgesamt zu leugnen. Man kann sich bei einer demokratischen Wahl nicht einfach auf sein Recht der freien Meinungsäußerung berufen, wenn man deren Ausgang leugnet.
Fox News behauptet, Trump habe die Wahl gewonnen, spricht aber selbst davon, dass alle anderen Medien lügen. So wie Trump das immer getan hat: Die offensichtliche Lüge aussprechen und dann alle als Lügner bezeichnen, die die Wahrheit sagen. Der CNN-Journalist Brian Stelter stellte fest: „Fox, Facebook und QAnon-Fantasien haben zwei Parallel-Welten in den USA geschaffen.“ Und angesichts der uneingeschränkten Treue mancher Sender zum Lügner Trump fügte er hinzu: „Diese Sender sind noch mehr antidemokratisch als dass sie pro-Trump sind.“ Stelter kommt zu dem Schluss: „Na gut, eine Einheit in Amerika ist offenbar nicht möglich. Es gibt eben diese Parallelwelten hier.“ An die konservativen Medien gerichtet, fügte er eine Bitte hinzu: „Aber kann vielleicht wenigstens die Temperatur um zwei oder drei Grad gesenkt werden? Würde das nicht helfen?“
Dem neuen Präsidenten Joe Biden ist diese Spaltung im Lande – auch die in den Medien – bewusst. In seiner Antrittsrede war die Heilung dieser Wunden ein zentrales Thema: „Die Lösung besteht nicht darin, sich zurückzuziehen in rivalisierende Lager, Misstrauen zu hegen gegen jene, die nicht so aussehen wie du selbst oder anders beten oder ihre Nachrichten nicht aus derselben Quelle beziehen wie du. Dieser unzivilisierte Krieg muss enden, in dem Rot gegen Blau kämpft, konservativ gegen liberal. Politik muss kein wütendes Feuer sein, das alles zerstört, was sich ihm in den Weg stellt.“
Sender wie Fox News müssen sich nun entscheiden, welchen Weg sie weitergehen wollen: Auf dem Trump-Zug weiter mitfahren, oder sich auf die eigentlichen Werte eines guten Journalismus zurückbesinnen, die Suche nach der Wahrheit und der wahrhaftigen Nachricht. „Fox News vertauscht Nachricht mit Meinung“, sagte der langjährige Fox-News-Moderator Shep Smith. Er hielt die Lügerei nicht mehr aus und verließ im Oktober 2019 den Sender. Smith war bereits zu Fox News gekommen, als der Sender 1996 gegründet wurde. Vor ein paar Tagen gab er ein Interview und sagte offen, warum er es dort nicht mehr ertrug: „Ich wusste, dass die Zuschauer von Fox falsch informiert wurden. Ich dachte, ich sollte dort bleiben und manches wieder geraderücken.“ Er hatte das Gefühl, er könne ein Gegengewicht zu den falschen Darstellungen seiner Kollegen wie Sean Hannity, Tucker Carlson und Laura Ingraham sein. Am Ende habe er es nicht mehr geschafft.
Wie das Magazin Daily Beast berichtet, befindet sich der Sender Fox News tatsächlich derzeit in einer Art Entscheidungsprozess. Und der scheint sich gerade vom echten Journalismus zu entfernen. Die Leitung entließ am 19. Januar mindestens 20 Angestellte, manche davon waren seit Jahrzehnten bei Fox News beschäftigt. Insider sprechen von einem „Blutbad“. „Die bemühen sich gerade, die echten Journalisten loszuwerden“, sagte eine anonyme Quelle. „Sie entlassen gute Leute, die wirklich Journalisten sind und nicht nur blinde Nachfolger.“ Diese Entlassungswelle sei der „letzte Sargnagel“ für den Journalismus bei Fox News, so der Insider.
Fox News entließ unter anderem den politischen Redakteur Chris Stirewalt. Stirewalt hatte auf den Fakten bestanden, als Trump behauptete, die Wahl sei korrupt gewesen. Es gebe keinerlei Beweise dafür, dass bei der Wahl irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sei, so der Journalist. Und die Klagen dagegen seien Quatsch. „Lawsuits schmawsuits“ (Die Klagen sind Quatsch) lautete sein lapidarer Kommentar, der daraufhin im ganzen Land die Runde machte. Trump soll getobt haben, als ausgerechnet ein Journalist seines Lieblingssenders nicht auf Linie war. Trumps Berater Jason Miller rief Berichten zufolge bei Fox News an und forderte eine „Richtigstellung“ des Ergebnisses. Nach Informationen der Washington Post versuchten auch Pressesprecherin Kayleigh McEnany, Kellyanne Conway und Stabschef Mark Meadows eine Änderung zu erreichen. Der New York Times zufolge ward Stirewalt seit jenem Tag nicht mehr im Fernsehprogramm von Fox News gesehen.
Auch Bill Sammon, seit 2008 bei Fox News und Chef des Washingtoner Büros sowie stellvertretender Leiter des Medienhauses, teilte mit, den Sender Ende Januar verlassen zu wollen. Gleichzeitig teilte der Sender mit, den Sendeplatz abends zwischen sieben und acht Uhr nicht länger mit einer Nachrichtensendung zu bestücken, sondern ebenfalls ein Meinungsformat zu senden.
„Ich wünsche Biden keinen Erfolg“
Nach der Wahl brachen die Zuschauerzahlen bei Fox News spürbar ein, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Offenbar sucht sich Trumps MAGA-Anhängerschaft („Make America great again“) neue Quellen, wenn Gefahr besteht, dass sich Fox News von Trumps Lügengebäuden abwendet. Einen neuen Aufwind erleben derzeit Konkurrenz-Sender wie One America News Network (OANN) und Newsmax.
Bei Newsmax weigert man sich bislang, die Wahl Bidens überhaupt anzuerkennen. Kein Wunder, dass Trump Berichten zufolge hier seinen neuen Lieblingssender gefunden hat, nachdem Fox News sich auf einmal weigerte, seine stumpfen Lügen zur „gestohlenen Wahl“ treu wiederzugeben. Sogar Gerüchte, dass Trump Newsmax kaufen möchte, gibt es. Einige Beobachter meinen, Trump wolle sich nun sein eigenes, konservativ-rechtes MAGA-Medienhaus aufbauen. Trump selbst hat Andeutung in diese Richtung gemacht. Es würde für ihn auch finanziell Sinn ergeben: Trump hat angeblich 900 Millionen Dollar Schulden; seine Tennis-Ressorts laufen wegen Corona seit fast einem Jahr nicht mehr gut. Hinzu kommen voraussichtlich mindestens 18 Strafverfahren gegen ihn, mit denen er und seine teuren Anwälte sich in den nächsten Jahren beschäftigen werden müssen.
Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit in der Tradition Amerikas, dass der Wahlverlierer dem Nachfolger viel Glück wünscht, auch wenn er von der anderen Partei ist. Nicht so bei Newsmax. Dort gab Greg Kelly, der früher bei Fox News war, offen zu: „Ich wünsche Biden keinen Erfolg für seine Amtszeit.“ Das ist genau das Gegenteil von Einheit, das ist eine Kriegserklärung. Bidens Rede, in der er zu einem Friedensschluss im Sinne der „Vereinigten“ Staaten von Amerika aufrief, der „uncivil war“ endlich ein Ende haben müsse, nannte Fox-News-Moderator und enger Trump-Freund Sean Hannity „lächerlich“. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass dies die Marschrichtung für die kommenden vier Jahre sein wird.
Darüber, wie es in Amerika weitergeht, ob es etwa ein von Biden beschworener Frieden und eine von CNN-Anchorman Brian Stelter erhoffte „Senkung der Temperatur“ geben wird, ist maßgeblich davon abhängig, welchen Kurs Fox News einschlagen wird. Mit bis zu 3,6 Millionen Zuschauern zur Primetime ist er der meistgesehene Nachrichtenkanal der USA. Wenn sich Journalisten einer Hetze gegen demokratische Grundwerte anschließen und die mehrfach richterlich bestätigte faire Wahl öffentlich abstreiten, ist das mehr als eine Lappalie. Dass zahlreiche Republikaner sich weiterhin auf Trumps Seite schlagen und voraussichtlich ein nachträgliches Impeachment gegen ihn verhindern wollen, hat wohl mit politischem Opportunismus zu tun. Es ist tragisch genug zu sehen, dass Republikaner wie Lindsey Graham, Rand Paul und der ehemalige Pastor Mike Huckabee weiter zu Trumps Lügen stehen. Wenn aber Journalisten ihre Werte verraten für die eigene Karriere, in der Hoffnung, damit die MAGA-Trump-Anhänger oder gar Trump selbst bei Laune und am Fernsehprogramm zu halten, ist das fatal für eine Demokratie und kann böse enden. Am 6. Januar sind die USA bereits an einem Bürgerkrieg vorbei geschrammt.
Trump sagte einmal: „Die Presse ist der Feind der Menschen“. Aber natürlich, wenn man der König der Lügen ist, muss man echten Journalismus bekämpfen. Man kann dem eigentlich nur ein Zitat von Abraham Lincoln entgegenstellen: „Let the people know the facts, and the country will be safe.“ – Lasst die Menschen die Tatsachen kennen, und das Land wird sicher sein.
Von: Jörn Schumacher