In einem Interview der Tageszeitung Die Welt hat Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) Hinweise auf geplante Änderungen im Familienrecht gemacht. Neben der Reform des Unterhalts für gemeinsame Kinder nach einer Trennung der Eltern war in dem Gespräch auch das Adoptionsrecht bei lesbischen Paaren Thema. Dem Artikel zufolge soll durch die Reform möglich werden, dass zwei Frauen in einer gleichgeschlechtlichen Ehe von Geburt des Kindes an als Mutter und „Mit-Mutter“ die Rolle der Eltern auch rechtlich übernehmen. Lambrecht begründet den Vorstoß in dem Interview mit dem Kindeswohl. „Wenn der Geburtsmutter etwas zustößt, kann nach der bisherigen Rechtslage das Kind in eine rechtlich ungesicherte Situation kommen, solange das Adoptionsverfahren durch die Partnerin noch nicht abgeschlossen ist“, erklärte die Justizministerin gegenüber der Zeitung. Lambrecht will verhindern, dass so Kinder in einem denkbaren Fall ohne Elternteil zurück bleiben. „Deshalb sollen auch lesbische Paare von Anfang an Eltern sein und die gemeinsame Sorge übernehmen dürfen“, sagte Lambrecht.
Die aktuelle Regelung sieht vor, dass bei verheirateten lesbischen Paaren die Frau, die das Kind nicht geboren hat, das Kind der gebärenden Frau adoptieren muss. Mit der geplanten Regelung würde also eine automatische Co-Mutterschaft etabliert und die Adoption entfiele. Auf Anfrage von pro teilte das Justizministerium am Freitag mit, dass ein entsprechender Gesetzesentwurf derzeit die ressortinternen Beratungen durchlaufe und erst mit Einleitung der Länder- und Verbändeanhörung auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht werde.
Mama, Mama, Papa, Kind
In dem Interview schloss Lambrecht eine Elternschaft von drei Personen aus. Nicht so der familienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Grigorios Aggelidis, der die Reform des Familienrechts begrüßt. Offenbar geht dem Liberalen der Vorschlag aus dem SPD-geführten Ministerium nicht weit genug. Auf Anfrage erklärte Aggelidis: „Der Vorstoß der Justizministerin ist richtig. Wichtig ist es aber auch, die Rechte des biologischen Vaters sicherzustellen. Wir wollen deshalb auch Familien mit offiziell zwei Müttern und einem Vater ermöglichen.“ Es sei dringend notwendig, das Familienrecht an die sich veränderten Familienstrukturen anzupassen, um Menschen die Sicherheit zu geben, „egal in welcher Konstellation oder welcher Form – generationenübergreifend, verbindlich und nachhaltig Verantwortung füreinander zu übernehmen“.
Katrin Werner, familienpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, begrüßte auf Anfrage, dass die „rechtliche Ungleichbehandlung von lesbischen Paaren gegenüber heterosexuellen Paaren aufgehoben“ werden soll. Entschieden sich verheiratete Frauen dazu, ein gemeinsames Kind zu bekommen, sollten beide Frauen auch die rechtliche Mutter sein, teilte Werner mit, die in dem Vorhaben einen wichtigen Schritt zur Gleichstellung von Familienformen sieht.
Die Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik der Grünen im Bundestag, Katja Dörner, konnte sich am Freitag nicht äußern, da die Politikerin im Wahlkampf-Endspurt um die Stichwahl des Oberbürgermeisters in Bonn am Sonntag steckt. Zur Ankündigung der Reform durch die Bundesjustizministerin hatte Dörner bereits im August erklärt: „Dass Zwei-Mütter-Familien weiterhin wie Familien zweiter Klasse behandelt werden, ist nicht vermittelbar. Werden Kinder in heterosexuelle Ehen hineingeboren, ist automatisch der Ehemann der zweite rechtliche Elternteil, unabhängig von der biologischen Vaterschaft. Dasselbe muss endlich auch für Co-Mütter gelten, die weiterhin die langwierige und aufreibende Stiefkindadoption durchlaufen müssen.“
Martin Reichardt von der AfD-Bundestagsfraktion sieht in der geplanten Reform einen weiteren Schritt, „die natürliche Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Kindern, auszuhöhlen.“ Auf Anfrage erklärte Reichardt: „Wer Mutter oder Vater ist, das wird beliebig. ‚Mit-Mutter‘, ‚Elternteil1 und Elternteil2 ‚“ sind die ideologisch geprägten Wortschöpfungen, welche die Natur und die Wirklichkeit auf den Kopf stellen. Das Kindeswohl wird also ideologischen Konstrukten unterworfen.“
Von Marcus Weinberg (CDU), dem familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, lag bis Redaktionsschluss am Freitagnachmittag kein aktuelles Statement zu der geplanten Reform durch die Justizministerin und dem Bericht in der Welt vor. Vor mehr als einem Jahr, als die damalige Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) eine Doppelmutterschaft nebst Gesetzesänderung erstmals vorschlug, hatte der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Gröhe, vor Schnellschüssen gewarnt und erklärt: „Eine Politik, die das Kindeswohl ins Zentrum aller Überlegungen stellt, muss prüfen, ob die gewachsene Vielfalt familiärer Lebensformen und die heutigen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin Veränderungen im Abstammungsrecht erforderlich machen.“
Von: Norbert Schäfer