Der frühere Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm ist tot. Der CDU-Politiker starb am Donnerstag im Alter von 84 Jahren in Bonn. Unter Bundeskanzler Helmut Kohl war der Christdemokrat und bekennende Katholik von 1982 bis 1998 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und damit der einzige Minister, der während der kompletten Regierungszeit Kohls ohne Unterbrechung dem Kabinett angehörte.
Die politische Leitlinie des Christdemokraten war die katholische Soziallehre mit ihren Grundpfeilern der persönlichen Freiheit und der gesellschaftlichen Verantwortung. Als Meilenstein der politischen Karriere Blüms gilt die Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995. Der Deutschlandfunk bezeichnete den verstorbenen Politiker am Freitag als das „soziale Gewissen“ der CDU. Selbst habe sich Blüm als „Rummelboxer“ der Politik bezeichnet.
Von der Werkbank bis ins Bundeskabinett
Blüm wurde am 21. Juli 1935 in Rüsselsheim geboren. Er stammte aus einfachen Verhältnissen. Der Vater war Autoschlosser und Busfahrer. In seiner Jugend war Norbert Blüm Messdiener und gehörte der katholischen Pfadfinderschaft an. Der katholischen Kirche blieb der Christdemokrat stets verbunden. Nach der Volksschule absolvierte Blüm eine Ausbildung zum Werkzeugmacher bei der Adam Opel AG in Rüsselsheim und war anschließend bis 1957 in diesem Beruf tätig. 1950 trat der überzeugte Katholik der Gewerkschaft IG Metall bei. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied der CDU.
Über den zweiten Bildungsweg holte Blüm sein Abitur nach und studierte anschließend in Bonn Philosophie, Germanistik, Geschichte und Theologie. 1967 schloss er sein Studium mit einer Promotion in Philosophie ab. Während seines Studiums lernte er seine spätere Ehefrau Marita kennen, die er 1964 heiratete. Das Ehepaar hatte drei Kinder. Für zwei Jahre (1966 bis 1968) arbeitete er als Redakteur bei der Monatszeitschrift der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). 1968 wurde Blüm Hauptgeschäftsführer der CDU-Sozialausschüsse und stand von 1977 an für zehn Jahre als Bundesvorsitzender an der Spitze der CDA.
Von 1972 bis 2002 war Blüm mit zweijähriger Unterbrechung (1980 bis 1981) Mitglied des Deutschen Bundestages. Blüm galt lange als loyaler Weggefährte Helmut Kohls. Allerdings distanzierte sich Blüm von Kohl in der CDU-Spendenaffäre, die 1999 öffentlich wurde. Auf Blüm geht ein mittlerweile geflügeltes Wort zurück: „Die Rente ist sicher.“ Dabei handelt es sich um einen abgewandelten Spruch einer Werbekampagne der Regierung aus dem Jahr 1986 mit dem Spruch „Denn eins ist sicher: Die Rente.“, die Blüm öffentlichkeitswirksam vorgestellt hatte.
Kritischer Geist
Nach seiner politischen Karriere meldete sich Blüm immer wieder zu sozialpolitischen Themen zu Wort. Zuletzt in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung, in dem er mit dem Vokabular in der Flüchtlingsdebatte schwer ins Gericht ging und eine Rückbesinnung auf christliche Werte und Barmherzigkeit gegenüber den Flüchtlingen forderte.
Blüm sah auch das Ehegattensplitting für homosexuelle Paare kritisch. In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hatte Blüm die Familie als Elementareinheit der Gesellschaft verteidigt, die auf Weiterleben angelegt sei. Diese Funktion könnten gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht erfüllen. Den Artikel 6 des Grundgesetzes, in dem es um Ehe und Familie geht, sah Blüm als einen „Prellbock gegen Beliebigkeit“, der die Familie gegen den „Andrang des Zeitgeistes“ schützen soll.
Würdigungen
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Blüms Verlässlichkeit im Handeln und dessen Klarheit im Wort. Der Politiker sei in allen seinen Ämtern ein unerschrockener Anwalt der Bürger und ein Mahner zur Bewahrung der Schöpfung gewesen. „Gerechtigkeit, Glaubwürdigkeit und Menschenfreundlichkeit waren für ihn keine bloßen Floskeln, sondern die Handlungsmaxime eines christlich-sozialen Politikers“, heißt es in einem Kondolenzschreiben des Bundespräsidenten an die Witwe.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte die Arbeit des verstorbenen Bundesarbeitsministers und die Einführung der Pflegeversicherung vor 25 Jahren. Blüm habe Werkbank und Ministertisch gleichermaßen gekannt, sagte die Kanzlerin.
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Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete Blüm als das „soziale Gewissen der Bonner Republik“ und „eine der bekanntesten und zugleich beliebtesten Persönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte“. Laschet: „Er war lebensfroh, menschennah und streitbar.“
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Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter (Grüne) nannten Blüm einen „Mensch mit starken Werten“ und christsozialen Politiker, „wie er im Buche steht“, der „den Menschen zugewandt blieb und nie den Blick auf die Schwachen in der Gesellschaft verlor“.
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Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner bezeichnete den Verstorbenen als „leidenschaftlichen Politiker aus der Tradition der katholischen Soziallehre“, vor dessen Verdiensten für das Land er größten Respekt habe.
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Der CDA-Vorsitzende Karl-Josef Laumann sagte zum Tod seines Parteikollegen: „Er war immer ein Bollwerk, wenn es darum ging, den Kern des Sozialstaats und die Tarifautonomie zu verteidigen.“
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Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte den Verstorbenen einen „Gestalter, für den sein christliches Menschenbild stets die Richtschnur seiner Politik war“. Lilie: „Der gläubige Katholik hatte auch stets für die Belange der Diakonie ein offenes Ohr.“
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Der Politikbeauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz, Uwe Heimowski, erklärte, dass Blüm neben Heiner Geißler die Persönlichkeit in der CDU gewesen sei, dessen Glaube ihn persönlich am stärksten geprägt habe. „Als Sohn eines protestantischen Vaters und einer katholischen Mutter verstand er sich als ökumenischen Christen“, sagte Heimowski. Immer wieder habe Blüm nach den politischen Konsequenzen des Glaubens gefragt. „Seine kluge, tiefgläubige Stimme wird fehlen. Mir persönlich, seiner Partei und unserer Gesellschaft“, sagte der DEA-Politikbeauftragte.
Von: Norbert Schäfer