Die Ministerpräsidenten haben für den neuen Entwurf des Medien-Staatsvertrag gestimmt. Er soll den Rundfunkstaatsvertrag von 1991 ablösen. Weil Mediengesetze Ländersache sind, müssen jetzt die Landtage unterrichtet und der Text der Europäischen Kommission vorgelegt werden. Die Unterzeichnung ist für das Frühjahr, die Umsetzung für September 2020 vorgesehen. Bis dahin sind die Standards über audiovisuelle Mediendienste in den europäischen Ländern anzugleichen.
Der bisherige Vertrag gibt die grundsätzlichen Richtlinien des Rundfunksystems in Deutschland vor. Er definiert die Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Sender und legt fest, in welchen Grenzen Werbung möglich ist. Für private Radio- und TV-Sender ist geregelt, dass sie eine Zulassung brauchen. Es gibt zudem Vorschriften, um Meinungsvielfalt zu sichern.
Die Digitalisierung der Medien führte dazu, dass die klassischen Mediengattungen verschwimmen. Das berücksichtigt der neue Vertrag. Er soll die geltenden Regeln zeitgemäß anpassen und definiert, wer künftig ohne Rundfunklizenz senden darf. Außerdem soll er Medienthemen regeln, die durch Smart-TV oder Sprachassistenten relevant geworden sind.
Nutzerfreundlich und nicht diskriminierend
Smart-TVs dürfen künftig bestimmte Programme nicht willkürlich weiter hinten auf ihren Sendersuchlisten platzieren. Angebote, die für Meinungs- und Angebotsvielfalt wichtig sind, müssen leicht auffindbar sein. Zudem gilt der Vertrag dann auch für „Medienintermediäre“. Das sind Onlinedienste, die der Medienwelt zuzuordnen sind, selbst aber keine klassischen Medieninhalte produzieren, wie Google, Facebook, YouTube oder App-Stores.
Inhalte, die von diesen Plattformen und Suchmaschinen gefunden werden, müssen nutzerfreundlich und diskriminierungsfrei sein. Die Intermediären müssen bestimmte Informationspflichten erfüllen. So sollen Social Bots markiert werden, die für die Beeinflussung von Wählern verantwortlich gemacht werden oder in sozialen Medien einen Gesprächsverlauf steuern. Google müsse erklären, wie Such-Algorithmen funktionieren, oder Facebook, warum manche Einträge prominenter platziert sind als andere.
Geändert wurden auch die Zulassungsverfahren, um Rundfunk betreiben zu können. Die Hürden dafür sollen sinken, um Kreative zu fördern und Bürokratie abzubauen. Kleine Live-Streamer, die durchschnittlich weniger als 20.000 Nutzer erreichen, müssen in Zukunft keine Lizenz mehr beantragen. Medieninhalte mit einem gesellschaftlichen Mehrwert sollen leicht zu finden sein. Kriterien dafür können journalistischer Nachrichtengehalt, ein gewisser Anteil von regionaler Berichterstattung und Barrierefreiheit sein.
Werbezeiten leichter zu verteilen
Die erlaubten Werbezeiten für Privatsender sind nach wie vor begrenzt. Die Sender sollen sie aber freier im Programm verteilen dürfen. Dies gilt auch für Kindersendungen. Smart-TVs hingegen sollen das Signal der Sender nicht mit eigenen Anzeigen überblenden dürfen, was technisch möglich ist. Ausdrücklich festgelegt ist, dass eine Produktplatzierung, die stets kennzeichnungspflichtig ist, bezahlt sein muss.
Die Verbraucherschützer sehen in dem Werk einen „durchaus hoffnungsvollen Versuch“, den Spagat zwischen Meinungsfreiheit und Regulierung zu bewältigen. Journalistisch editierte Angebote müssen auffindbar sein. Der Branchenverband Bitkom ist dabei kritischer: „Eine privilegierte Auffindbarkeit wird gerade nicht die Meinungsvielfalt schützen“, sagte Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung. Sie befürchtet, dass es Probleme bei der Umsetzung der Regeln geben wird. Die Einhaltung sollen die Landesmedienanstalten überwachen.
An dem Verfahren konnten sich Bürger, Sender, Verbände und Institutionen beteiligen. Es gab über 500 Eingaben zum Thema Streaming, angemessene Nutzerzahlen und Auffindbarkeit. Die Medienbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Heike Raab verwies gegenüber pro darauf, dass Themen eingebracht wurden, „die wir gar nicht zur Diskussion gestellt haben, wie zu Auftrag und Struktur der öffentlich-rechtlichen Sender“.
Andere Staatsverträge im Medienbereich bleiben bestehen. Dazu zählt der Staatsvertrag zur Rundfunkfinanzierung, in dem die Beitragshöhe je Haushalt festgelegt ist. Oder der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der regelt, um wie viel Uhr welche Filme gezeigt werden dürfen.
Von: Johannes Blöcher-Weil