Es hat schon etwas von endzeitlicher Erlösungshoffnung, wenn die CDU ihren morgen beginnenden Parteitag unter das Motto „Deutschlands starke Mitte“ stellt. Denn von der Stärke, von der sie einst zehrte, ist nicht viel übrig geblieben. In Umfragen dümpelt die Union bei 27 Prozent herum. Ihr Koalitionspartner im Bund, die SPD, rangiert bei nur gut der Hälfte an Zustimmung. Die Mitte zerbröselt.
Da können die neuen Zahlen des Allensbach-Institutes kaum verwundern, die diese Woche die Runde machten. Demnach schwindet das Vertrauen in Staat und Regierung. Und zwar massiv. Noch 2015 hielten 81 Prozent der Bürger die politische Stabilität für eine Stärke Deutschlands, nun sind es nur noch 57 Prozent. Noch schlechter ist es um das Vertrauen in die Regierung bestellt: Die Zustimmung zu ihr brach von 49 auf 26 Prozent ein. Sogar das Vertrauen in das politische System sank von 62 auf 51 Prozent.
Es offenbaren sich also ernste Probleme. Doch warum erodiert das Vertrauen in die Obrigkeit so massiv? Sicher spielt die Flüchtlingskrise eine Rolle. Seit im Herbst 2015 die Grenzen nicht geschlossen wurden – das Wort „Grenzöffnung“ ist falsch – und viele Asylbewerber in die Bundesrepublik kamen, hat sich das Land verändert. Unbestritten stellt der Umgang mit Zuwanderern den Staat vor große Herausforderungen: Überlastete Behörden, jahrelange Asylverfahren, Nicht-Abschiebung straffälliger Asylbewerber, aber auch die Abschiebung christlicher Konvertiten haben zu Kopfschütteln geführt. Für Rechtspopulisten wirkte das wie ein Konjunkturprogramm. Jede – angebliche – Fehlleistung wurde genüsslich ausgeschlachtet, jede Straftat von Zuwandern öffentlichkeitswirksam als Beleg für den Untergang des Abendlandes präsentiert.
Auf CDU-Parteitag drohte Putsch
Doch das liefert nur eine Teilerklärung. Die Allensbach-Demoskopen fragten die Bürger nämlich auch, ob die Parteien im Bundestag zerstritten sind. Hier zeigt sich ein eindeutiges Bild: Die Groko-Parteien Union und SPD gelten unter mehr als der Hälfte der Befragten als zerstritten. Tatsächlich stellen vor allem die Sozialdemokraten seit der Wahlnacht das Regierungsbündnis in Frage. Nur unter größtem Murren schleppten sie sich in die Ministerien, aber auch nur unter der Voraussetzung, dass die Koalition zur Halbzeit – also jetzt – auf den Prüfstand gestellt wird. Zwischenzeitlich sägten sie ihre Vorsitzende ab. Seit Monaten läuft ein Bewerbungsmarathon um die neue Führungsspitze. Im Dezember soll endlich Klarheit herrschen.
Doch auch die Christdemokraten üben sich in Selbstzerfleischung. Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wurde zuerst hoch gelobt, sorgte dann für einige Ausrutscher und steht jetzt dermaßen unter innerparteilicher Beobachtung, dass ihr kaum noch Erfolge zugestanden werden. Stattdessen formieren sich Gegner wie Friedrich Merz und dessen Umfeld zum Daueraufstand. Zwischenzeitlich drohte der CDU-Parteitag zur Putschveranstaltung zu werden.
Manche versuchen, diese schwarz-roten Querelen als Ausdruck innerparteilicher Demokratie schönzureden. Beim Wähler kommt vor allem Orientierungs- und Profillosigkeit an. Union und SPD sollten schleunigst an Stabilität und Profil zulegen. Dann gibt es vielleicht auch wieder eine „starke Mitte“.