Deutschland und die EU sollen sich stärker mit der Religionsfreiheit in der Türkei beschäftigen. Das hat der Sprecher für Menschenrechte der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Michael Brand (CDU), gefordert. Im Hinblick auf die jüngsten Angriffe in Syrien, aber auch auf den Umgang des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Minderheiten im eigenen Land, dürfe es nun „keine falsche Rücksicht“ vonseiten internationaler Politik geben. Nicht nur die deutsche Diplomatie sei gefordert, die Themen Menschenrechtsverletzungen, Christenverfolgung und Religionsfreiheit anzusprechen. Vom Auswärtigen Amt erwarte er, dass es in diesem Sinne die Initiative ergreife. Bei der Vorstellung zweier Jahrbücher zu den Themen Christenverfolgung und Religionsfreiheit am Mittwoch in Berlin konstatierten Menschenrechtler, dass immer mehr missionarisch aktive Christen aus dem Ausland aus der Türkei ausgewiesen würden.
Einerseits sei es wichtig, Hassrede gegen religiöse Minderheiten zu verurteilen, sagte Brand. „Wir sehen auch in unserem Land, dass Worte, also Hetze, am Ende zu Taten werden.“ Andererseits werde Religion zu oft öffentlich als Problem stigmatisiert. Die friedensstiftende Wirkung von Glaubensbewegungen in Abgrenzung zu radikalen Kräften müsse stärker betont werden. Auch vom EU-Rat erwarte er, das Thema Religionsfreiheit stärker in den Fokus zu rücken. Brand forderte einen EU-Sonderbeauftragten für die Förderung von Religionsfreiheit.
70 Evangelisten ausgewiesen
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kritisierte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Deutschen Evangelischen Allianz in Berlin, dass missionarisch aktive Christen aus dem Ausland immer häufiger aus der Türkei ausgewiesen würden. Allein im Jahr 2019 seien der IGFM 70 Fälle bekannt geworden, in denen Christen, die für ihren Glauben geworben hätten, des Landes verwiesen worden seien.
IGFM-Sprecher Martin Lessenthin erklärte, es sei hinlänglich bekannt, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sich nicht scheue, mit islamistischen Milizen gemeinsame Sache zu machen, die es auch auf religiöse Minderheiten abgesehen hätten. Syrisch-orthodoxe Christen würden in der Türkei unterdrückt, ebenso Jesiden oder andere christliche Minderheiten. „Was wir vermissen, ist, dass die deutsche Diplomatie hier positiv wirksam wird“, sagte Lessenthin.
Brand verteidigt AKK
Brand äußerte sich auch zum Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Sicherheitszone in Nordsyrien zu errichten. Oppositionspolitiker und auch Stimmen aus der SPD hatten die CDU-Chefin jüngst deshalb kritisiert und ihr unter anderem vorgeworfen, sie wolle sich auf diese Weise profilieren. Brand verteidigte Kramp-Karrenbauer: „Es gibt seit Jahren ein Versagen der Internationalen Staatengemeinschaft, sich aktiv in die Befriedung Syriens einzumischen.“ Es dürfe daher nicht derjenige angegriffen werden, der nun die Initiative ergreife. In Richtung des deutschen Außenministers Heiko Maas erklärte er, der SPD-Politiker solle sich nun lieber darum kümmern, den Vorschlag, der auf dem Tisch liege, auszubuchstabieren, anstatt daraus „innenpolitisch Honig zu saugen“. Maas hatte zum Vorschlag Kramp-Karrenbauers erklärt, die Ministerin habe sich im Vorfeld nicht ausreichend mit dem Koalitionspartner abgestimmt.
Anlass der Pressekonferenz in Berlin war das Erscheinen zweier Jahrbücher 2019 zu den Themen Christenverfolgung und Religionsfreiheit. Die IGFM gibt die Kompendien jährlich gemeinsam mit der Deutschen Evangelischen Allianz und dem Internationalen Institut für Religionsfreiheit heraus.
Von: Anna Lutz