Der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen wünscht sich, dass sich nicht nur Kirchenmitglieder an der biblischen Botschaft des Neuen Testaments orientieren. Angst davor, dass die Religiosität ausstirbt, hat er nicht: „Dazu ist das Bedürfnis nach etwas zu groß, das zu erklären versucht, was Leben ist, woher es kommt und wohin wir nach dem Tod gehen.“ Dies hat er in einem Interview der österreichischen Kirchenzeitungen gesagt.
Van der Bellen ist kürzlich wieder in die „evangelische Kirche des Augsburger Bekenntnisses eingetreten“, nachdem er als junger Mann aus Ärger über seinen lokalen Pfarrer der Kirche den Rücken gekehrt hatte. Den Schritt, wiedereinzutreten, hatte er 2016 vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten erwogen. Im Laufe seiner politischen Laufbahn hatte van der Bellen mehrmals erklärt, nicht an einen persönlichen Gott zu glauben.
In Österreich hat die Evangelische Kirche des Augsburger Bekenntnisses in 200 Gemeinden rund 285.000 Mitglieder. Der Name gründet sich auf die 1530 auf dem Reichstag in Augsburg dargelegten, verbindlichen Bekenntnisschriften der lutherischen Kirchen.
„Kirchen müssen sich zu sozialen Fragen äußern“
Er tausche sich regelmäßig mit dem Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, und dem evangelischen Bischof Michael Bünker aus. Der Kontakt zwischen Politik und Religionsgemeinschaften sei ihm wichtig, „und dass sich die Kirchen, Caritas und Diakonie zu sozialen Fragen zu Wort melden“. Österreich ohne den „unersetzlichen Einsatz der Kirchen“ möchte er sich nicht vorstellen.
Papst Franziskus habe mit seiner Enzyklika „Laudato si’“ den Klimaschutz mit ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Menschen müssten sich im Klaren sein, „dass wir die erste Generation sind, die die Klimakrise hautnah verspürt – und zugleich die letzte Generation, die es noch in der Hand hat, etwas Wesentliches zu ändern“. Van der Bellen findet es nicht problematisch, wenn Schüler die Schule schwänzen, um für das Klima zu demonstrieren. Den Schulstoff könnten die Kinder nachlernen. Der Prozess des Klimawandels sei nicht mehr umkehrbar.
In Bezug auf die anstehende Wahl zum EU-Parlament und die europäische Idee wünscht sich der frühere Grünen-Politiker einen EU-Patriotismus – „auch weil wir weltweit nicht nur von Freunden umgeben sind“. Für die Bewältigung vieler politischer Gefahren gebe es keinen besseren Partner als die Europäische Union.
Von: Johannes Blöcher-Weil