Schon lange steht die rechte FPÖ mit dem ORF, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich, auf Kriegsfuß. In dieser Woche ist der Streit zwischen der mit der deutschen AfD vergleichbaren Regierungspartei und dem größten österreichischen Medienunternehmen vollends eskaliert. Anlass war ein Interview zwischen Armin Wolf – in Österreich einer der prominentesten Journalisten, der erst im April einen Publikumspreis erhielt – und dem EU-Kandidaten der Freiheitlichen Partei, Harald Vilimsky. Wolf, der als Moderator der Spätnachrichten ZIB 2 für seinen konfrontativen Interviewstil bekannt ist, ließ im Interview mit Vilimsky am vergangenen Dienstag das Sujet des Rings Freiheitlicher Jugend, einer FPÖ-Vorfeldorganisation, einblenden:
Auf dem im Comicstil gezeichneten Bild sind eine blonde und blauäuige Frau im Dirndl und ihr in eine Trachtenjacke gehüllter Partner abgebildet, die von als Schurken gezeichneten grauen Männern ausländischen Aussehens umgeben werden. Zwei Minarette, ein Halbmond und eine Takke (eine muslimische Gebetsmütze) verraten: Es soll sich hierbei um Muslime handeln. Der Titel „Tradition schlägt Migration“ und der Wahlspruch „Steiermark, berufen für das Schöne, nicht für Asylantenströme“ ergänzen die Bildsprache. Vergleichend ließ Wolf nun die Karikatur eines Juden mit Hakennase und Geldsack aus dem nationalsozialistischen Propagandablatt Der Stürmer einblenden. Vilimsky reagierte noch in der Livesendung erbost: „Hier diese Parallelität zu ziehen, Herr Wolf, ist allerletzte Schublade. Indem Sie hier vom Stürmer ein Bild nehmen, das einem Jugendplakat gegenüberstellen und den Eindruck erwecken, dass wir in der Nähe des Nationalsozialismus stehen, ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann. […] Das ist jenseitig, Herr Wolf.“ In einer Sendung des Privatsenders oe24.TV legte Vilimsky schließlich nach: „Wäre ich Generaldirektor (des ORF, Anm. d. Red), dann würde ich Wolf vor die Tür setzen“. Vilimskys Parteikollegin Ursula Stenzl, FPÖ-Politikerin in Wien und selbst einst Moderatorin der ORF-Nachrichten, sprang Vilimsky unterdessen zur Seite, verglich das Interview im selben Sender gar mit einem „Verhör“ und erklärte zudem, Wolf könne mit seinem Interviewstil „in einem Volksgerichtshof“ (einer Institution der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz, Anm. d. Red.) auftreten, wodurch sie naturgemäß für neuerliche Empörung sorgte.
Politikexperte Wassermann: „FPÖ ist auf Krawall gebürstet“
Der Grazer Zeitgeschichtler Heinz Wassermann, der die politische Landschaft im Land wie kaum ein anderer kennt, meint im Gespräch mit pro, dass sich die Situation rund um verbale Angriffe von Politikern gegenüber kritischen Journalisten in den letzten Jahren in Österreich „ziemlich verschärft“ habe – und dies durchaus über Parteigrenzen hinweg. Allerdings: „Die FPÖ ist grundsätzlich auf Krawall gebürstet, ansonsten würde ihr Politikmodell nicht funktionieren. Und da ist natürlich der ORF und vor allen Dingen Armin Wolf das perfekte Feindbild.“ Inhaltlich hält Wassermann den von Wolf gezogenen Vergleich zwischen den beiden Zeichnungen durchaus für sauber: „Wie sagt man: Bilder lügen nicht.“ Und weiter: „Wie muss ich politisch und historisch sozialisiert sein, dass ich genau das hinzeichne. Das kommt ja nicht aus dem Nichts.“ Für Rainer Nowak, Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse, sind persönliche Drohungen von Politikern gegenüber Journalisten in Österreich unterdessen nichts Neues: „Da kenne ich viele Namen“, sagt Nowak in der Runde der ChefredakteurInnen auf ORF III. Gedroht sei bisher aber abseits der Öffentlichkeit geworden, etwa am Telefon: „Dass es auf offener Bühne passiert, das ist völlig neu.“
Dass sich rechte Parteien gegen die etablierten Institutionen des sogenannten Establishments einschießen, ist europaweit im Übrigen ein bekanntes Phänomen. In Österreich kommt hier allerdings noch dazu, dass die FPÖ seit 2017 als Partner der konservativen ÖVP in der Regierung sitzt. Insofern sieht Wassermann derartige Debatten hintergründig als Mittel der politischen Folklore: „Wenn du eine rechtspopulistische Partei bist, musst du permanent das Feuer am Lodern halten.“ Und es gelte: „Durch so eine Krawallbürsterei kann ich von der realen Politik unheimlich gut ablenken.“ Das, was nach außen hin als Eskalation daherkommt, scheint in Wahrheit also ein jedenfalls zum Teil bewusst eingesetztes Mittel zu sein, um die eigenen Anhänger bei Laune zu halten.
Rassistisches Gedicht aus Braunau sorgt für Aufregung bis nach Übersee
Mit der Kontroverse rund um Wolf und Vilimsky sorgt die FPÖ bereits zum zweiten Mal innerhalb einer Woche für internationale Schlagzeilen. Wie nämlich am Osterwochenende bekannt wurde, veröffentlichte der FPÖ-Ortsparteichef von Braunau, Christian Schilcher, in einem lokal verteilten Flugblatt ein Gedicht namens „… die Stadtratte“, in dem er Ausländer mit Ratten verglich: „Tief unten dort in meinem Stollen, / wo wir Ratten leben wollen, […] / müssen andre Ratten eben, / die als Gäst oder Migranten, […] / die Art zu leben mit uns teilen! / Oder rasch von dannen eilen!“, hieß es darin etwa. Nach einer Welle der Empörung, Kritik von Bundeskanzler Sebastian Kurz („Die getätigte Wortwahl ist abscheulich, menschenverachtend sowie zutiefst rassistisch“) und Bundespräsident Van der Bellen („Solche Aussagen führen zur Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas in unserem Land“) und internationaler medialer Aufmerksamkeit bis hin zu CNN und BBC musste Schilcher schließlich zurücktreten. Van der Bellens Vorgänger, Altbundespräsident Heinz Fischer, meinte unterdessen bei einer rechtsphilosophischen Tagung: „Und dass ein Kommunalpolitiker in Braunau – ausgerechnet in Braunau – ein langes Gedicht verfasst und veröffentlicht hat, in dem Flüchtlinge mit Ratten in Zusammenhang gebracht werden, das ist auch ein Schlag ins Gesicht der Menschenwürde.“
In Österreichs Zeitungslandschaft macht sich unterdessen bemerkbar, dass auch konservative Leitartikelschreiber, die der ÖVP-FPÖ Regierung zunächst noch wohlwollend gegenüberstanden, zunehmend ins regierungskritische, jedenfalls aber ins FPÖ-kritische Lager wechseln. So meint Nowak vom konservativen Qualitätsblatt Die Presse selbstkritisch: „Ich war sicher einer derer, die geschrieben haben: Ja, vielleicht wird die freiheitliche Partei beweisen, dass sie doch regierungsfähig ist. Ich muss gestehen: Ich sehe das derzeit nicht. Ich bin eher überrascht, […] aus welchen Löchern da irgendwelche Vorfälle herauskommen und wer da herauskriecht mit irgendwelchen Formulierungen. Ich bin einigermaßen entsetzt, muss ich sagen. Damit habe ich nicht gerechnet.“ Und Claus Pándi, Innenpolitikchef der mächtigen und traditionell durchaus FPÖ-freundlichen Kronen Zeitung (ihre Auflage ist in Relation zur Bevölkerung fast fünfmal so hoch wie die der Bild) meint in einem viel beachteten Leitartikel: „Die Freiheitlichen sind nicht regierungsfähig. Das gilt mit den Ereignissen über die Osterfeiertage nun als hinlänglich bewiesen.“