Der Gründer der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, kann es nicht mit seinem Glauben vereinbaren, die Partei heute zu unterstützen. Das sagte er in Berlin anlässlich der Vorstellung seines Buchs „Systemausfall“. Lucke erklärte, er wolle anderen als Protestant keine Haltung vorschreiben. „Ob ein Christ die AfD wählen kann, darüber muss sich jeder selbst die Meinung bilden.“ Seine stehe fest. In seinem Buch analysiert Lucke die aktuelle politische Situation in Deutschland und Europa, übt aber auch Kritik an der AfD, deren Bundessprecher er war. Im Jahr 2015 trat er nach seiner Abwahl aus der Partei aus. Sein Buch nannte Lucke am Montag eine „Kampfansage an die AfD“. Bei der Pressekonferenz distanzierte er sich von neuen rechten Kräften. Eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz halte er für richtig.
„Ein Vater, dem das Kind genommen wurde“
In seinem Buch schreibt er: „Wenn ich heute auf die AfD schaue, fühle ich mich wie ein Vater, dem das Kind genommen wurde, um es unter Räubern großzuziehen.“ Sie sei heute anders als im Gründungsprogramm vorgesehen eine deutschnationale, migrations- und islamfeindliche Partei. Die Schuld dafür gibt er unter anderem den Medien. Sie hätten die AfD von Anfang an unter den Verdacht des Rechtsradikalismus gestellt. Unter dem öffentlichen Druck hätten sich die moderaten Kräfte zunehmend aus der Partei zurückgezogen. „Im Juli 2015 hatte der radikale Flügel der Partei die Mehrheit errungen und die gemäßigten AfD-Mitglieder traten nach meiner Abwahl als Parteichef zu Tausenden aus der AfD aus“, blickt er zurück und fügt hinzu: „Die Berichterstattung war zur selbsterfüllenden Prophezeiung geworden.“ Der schlechte Ruf habe zudem die „falschen“ Mitglieder angezogen.
Die AfD ist laut Lucke als Ausdruck des Protests gegen die Politik von Bundesregierung und EU zu verstehen. Sie sei nicht antisemitisch, wohl aber antiislamisch und sehe das Deutsch-Sein an sich als Wert. Fremde Einflüsse klassifiziere sie als minderwertig. Große Teile der Partei stünden unter dem Einfluss völkischer Ideengeber. Im Buch nennt Lucke den Verleger Götz Kubitschek namentlich. AfD-Rechtsaußen Björn Höcke sieht er als „Lakaien“ Kubitscheks. „Das Problem der AfD ist das Milieu der Verbitterten, die für Kubitscheks pseudo-intellektuelle Theorie völkischer Politik empfänglich sind. Diesem Milieu tritt niemand in der AfD entgegen. Deshalb kann es wie ein Krebsgeschwür wuchern“, analysiert Lucke. Die Führung der AfD lasse die Partei treiben und die Völkischen gewähren.
„Ich habe diese Geister nicht gerufen“
Auf die Frage, ob er eigene Fehler sehe, die die Entwicklung der AfD negativ beeinflusst hätten, erklärte Lucke, er habe vieles getan, um den rechten Flügel zurückzudrängen: „Ich habe diese Geister nicht gerufen.“ Es sei ein Fehler gewesen, der ehemaligen Parteichefin Frauke Petry zu vertrauen und darauf, dass sie als Christin dieselben Werte vertrete wie er. Petry war beim Parteitag 2015 zur neuen Vorsitzenden gewählt worden, Lucke hatte daraufhin seinen Rücktritt erklärt. Petry ist mittlerweile ebenfalls aus der Partei ausgetreten. Lucke erklärte, er sei nach wie vor stolz darauf, die AfD als eurokritische Partei gegründet zu haben: „Das war eine Chance auf eine politische Erneuerung“. Sie sei aber verspielt worden.
Von: Anna Lutz