„Kann ein Muslim im Jahr 2030 für die CDU Bundeskanzler werden?“, fragte idea in seiner vorletzten Ausgabe den Unions-Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus. „Warum nicht, wenn er ein guter Politiker ist und er unsere Werte und politischen Ansichten vertritt“, antwortete dieser. Diese Anwort sorgt derzeit deutschlandweit für Schlagzeilen, spätestens seit die Bild-Zeitung am Montag online titelte: „Brinkhaus kann sich Muslim als CDU-Kanzler vorstellen“.
Kurze Zeit später konterte Bild-Redakteur Daniel Böcking: „‚Christlich‘ ist nicht nur ein moralischer Wert, sondern auch ein Glaube – und zwar an Jesus CHRISTus. Das mag nicht hip klingen, ist aber so.“ Diesen Glauben teilten Muslime nicht. Weiter schreibt Böcking: „Nicht nur beim Pfarrer setze ich voraus, dass er hinter dem steht, was er da predigt – auch ein Chef der Christ-Demokraten sollte zum Christentum (und selbstverständlich zur Demokratie) stehen.“ Sein Vorwurf: Brinkhaus biedere sich an. Das C sei für ihn eine Altlast bei immer mehr nichtchristlichen Wählern in Deutschland.
AfD: CDU soll C aufgeben
Am späteren Montag und frühen Dienstag meldete sich auch die Politik anlässlich Brinkhaus’ Aussage zu Wort. Der religionspolitische Sprecher der AfD im Bundestag, Volker Münz, widersprach scharf: „Die CDU sollte ehrlicherweise das C im Namen aufgeben“, forderte er, und weiter: „Der zentrale Wert der Menschenwürde resultiert aus der jüdisch-christlichen Vorstellung vom Menschen als Ebenbild Gottes. Dieses Menschenbild kennt der Islam nicht.“
Auch parteiintern ist der Streit um einen muslimischen Kanzler in vollem Gange. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der Passauer Neuen Presse, er halte einen muslimischen Kanzler mit CDU-Parteibuch ebenfalls für denkbar, aber auch für sehr unwahrscheinlich. „Denn mir ist nicht bekannt, dass AKK, Friedrich Merz oder Jens Spahn beabsichtigen, zum Islam überzutreten“, sagte er. Der religionspolitische Sprecher der Union im Bundestag, Hermann Gröhe, schwieg am Dienstag zunächst auf Anfrage von pro zu dem Interview.
Rückendeckung kam aber von Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin Karin Prien (CDU): „Selbstverständlich könnte auch ein muslimischer Christdemokrat, ein Hindu oder ein Atheist für die CDU Bundeskanzlerin werden“, sagte sie gegenüber der Bild-Zeitung. Die nordrhein-westfälische Integrationsstaatssekretärin Serap Güler, abenfalls CDU, sagte: „Ralph Brinkhaus hat mit seiner Antwort lediglich klargestellt, dass bei uns in der CDU niemand aufgrund seines Glaubens benachteiligt wird, solange er unsere Werte und politischen Ansichten vertritt.“ CDU-Bundesvorstand Elisabeth Motschmann warnte: „Wir verunsichern unsere Stammwähler mit dieser Diskussion.“ Und CDU-Innenexperte Christoph de Vries erklärte: „Wer für die Union als Kanzler antritt, muss nicht christlich sein, aber christdemokratische Werte vertreten und sich Deutschland zugehörig fühlen.“ Dies gelte leider nicht für einen größeren Teil von Muslimen.
Zustimmung aus der Opposition
Der ehemalige Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, sagte gegenüber der Passauer Neuen Presse: „Entscheidend ist doch, ob jemand die Ärmel hochkrempelt und für unser Land anpackt. Solange sie oder er fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht.“ In einem Artikel für die Deutsche Welle findet auch der Journalist Christoph Strack nichts Schlimmes an der Brinkhaus-Äußerung: Er sage das rechtlich Korrekte. „Das Grundgesetz benennt keine besonderen Vorgaben für den Einzug ins Bundeskanzleramt.“ Dass ein Muslim Kanzler werden könnte, sei eigentlich selbstverständlich. „Längst tragen in der deutschen Politik auch Muslime Verantwortung.“
Von: Anna Lutz