Noch liegen im Bundestag keine konkreten Gesetzesvorschläge zur Neuregelung der Organspende vor. Doch hinter den Kulissen beschäftigen sich die Parlamentarier schon länger mit dem Thema. Deshalb finden sich nun bereits die ersten Abgeordneten zusammen, die überfraktionell ähnliche Vorschläge befürworten. Am Mittwoch kamen sie in einer Orientierungsdebatte zum Thema im Deutschen Bundestag zu Wort.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte, er stehe nach wie vor zu seiner Widerspruchslösung, bei der jeder Deutsche zunächst als Organspender angesehen werde, bis er oder seine Angehörigen dem widersprechen. So will er die Zahl der potenziellen Spender erhöhen. „Das einzige Recht, das dabei beschnitten würde, wäre das Recht, sich keine Gedanken zu machen“, sagte er. Unterstützung erhielt er von dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Die Widerspruchslösung verhindere unnötiges Leid. Er halte es nicht für zu viel verlangt, dass sich jeder Bürger einmal mit der Frage der Organspende auseinandersetze. Auch Spahns Fraktionskollege Georg Nüßlein stützte den Vorschlag des Ministers. Petra Sitte von der Linken hält die Widerspruchslösung ebenfalls für verantwortbar. Eine Entscheidung treffen zu müssen, schränke niemanden ein, auf ein Organ zu warten hingegen sehr.
Entscheidung an Ausweisantrag koppeln
Katja Kipping von der Linken hingegen äußerte Bedenken: „Wir können ahnen, dass es eher die bildungsfernen und einkommensärmeren Schichten sind, die keinen Widerspruch einlegen“, prognostizierte sie. Stattdessen schlug sie eine sogenannte verpflichtende Entscheidungslösung vor. Diese sieht vor, dass jeder Bürger immer dann, wenn er einen Personalausweis oder Führerschein beantragt, auch zu einer Entscheidung für oder gegen die Organspende aufgefordert wird. Bei der Beantragung würde die Person dann entsprechendes Informationsmaterial erhalten und müsste sich entscheiden, wenn sie das Dokument einige Zeit später abholt.
Kipping erhielt Unterstützung von der Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Nicht jeder sei in der Lage, Widerspruch einzulegen. Die aktive Zustimmung sei in der deutschen Gesellschaft ein weitreichendes Prinzip, das nicht umzukehren sei. Kerstin Griese von der SPD stützte die Idee ebenfalls. „Wir müssen mehr tun als bisher, damit sich die Zahl der Organspenden erhöht“, sagte sie. Verordnen könne der Staat eine Organabgabe aber niemals. Katrin Helling-Plahr von der FDP hält eine Widerspruchslösung nicht für ausgeschlossen, stützte aber ebenfalls die verpflichtende Entscheidungslösung. Fraktionskollegin Christine Aschenberg-Dugnus wandte sich gegen Spahns Vorschlag. Er „missachtet das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger“. Dass Schweigen als Zustimmung gelten solle, sei absurd. Nicht einmal in Fragen des Datenschutzes gehe das Recht so vor. Auch sie befürwortet die verfplichtende Entscheidungslösung.
Vorgänger widersprechen Gesundheitsminister
Spahns Vorgänger im Amt, Hermann Gröhe, wandte sich gegen die Widerspruchslösung. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende sagte, sie stehe entgegen grundlegender Prinzipien der Patientenrechte und Medizinethik. „Eine Organspende ist ein Geschenk aus Liebe zum Leben.“ Das setze Freiwilligkeit voraus. Auch die ehemalige Bundegesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) stellte sich in der Frage gegen Spahn: Entscheidend sei die Organisation im Krankenhaus und nicht die rechtliche Regelung.
Eine weitere Gruppe von Parlamentariern setzte sich für die nun gültige Zustimmungslösung in Verbindung mit einer Verbesserung der derzeitigen Organisation der Organspende ein. Dazu gehörte etwa der AfD-Abgeordnete Jörg Schneider. Er forderte unter anderem ein zentrales Spenderregister.
Von: Anna Lutz